15.000 elektrische Kilometer
Eine wichtige Rolle in Deutschland und Europa spielen regionale Zentren. Rahmenbedingungen für das batterieelektrische Autofahren im ländlich-urbanen Raum hat ein Forschungsprojekt der Hochschule Heilbronn herausgearbeitet. Dazu wurden jetzt erste Ergebnisse aus über 15.000 Ganzjahreskilometern vorgestellt.
Typisch für die Region Heilbronn-Franken als eine von 12 Regionen in Baden-Württemberg sind eine leicht hügelige Landschaft, eine ausgeprägte landwirtschaftliche Nutzung sowie »Global Player« und gleichzeitig innovative kleine und mittelständische Unternehmen. Die Verkehrsinfrastruktur ist durch einen hohen Anteil von individualem Pendlerverkehr mit dem Auto, aber auch durch die Verknüpfung von Stadt und Region durch eine Zweisystem-Regionalstadtbahn bestimmt.
Elektroauto und Fahrprofile
Ein geeignetes Erprobungsfahrzeug für das Forschungsprojekt der Hochschule Heilbronn sollte ausreichende Sicherheit, Reichweite und die Autobahntauglichkeit für den regionalen Pendlerverkehr aufweisen. Der von der CITYSAX Mobility GmbH aus Dresden elektrifizierte Chevrolet Matiz erfüllte diese Anforderungen und nimmt nach dem Umbau mit dem lokalen Servicepartner Auto NEFF GmbH aus Heilbronn eine von der Hochschule spezifizierte Messdatenerfassung auf. 26 Lithium-Eisenphosphatbatterien mit je 160 Ah Kapazität und 3,2 V Nennspannung speisen einen Asynchronmotor mit einer Spitzenleistung von 26 kW. Circa 13 kWh Batteriekapazität resultieren je nach Fahrprofil in eine Reichweite von 75 bis 100 Kilometer. Das Umbaufahrzeug überzeugt in der Praxis mit einem pragmatischen, durchdachten und sicheren Elektrifizierungskonzept.
Im landesgeförderten ZIP-Projekt wurde entschieden, zunächst reale Zyklen im ländlich-urbanen Raum anstelle von standardisierten Fahrzyklen zu untersuchen. Ein typischer 50 Kilometer Pendlerzyklus mit 160 Metern Höhendifferenz beispielsweise besteht aus 12 % Stadtverkehr, 61% Autobahn und 27% Regional- und Zubringerverkehr.
Erste Ergebnisse
Das Geschwindigkeitsprofil und den Leistungsbedarf des Fahrzeugs im 50-Kilometer-Testzyklus zeigt die Abbildung. Selbst die geringe Spitzenleistung von 26 kW wird im Zyklus ohne Behinderung des Verkehrsflusses selten abgerufen. Negative Leistungen kennzeichnen die insbesondere im hügeligen Bereich mögliche Energierückgewinnung beim Bremsen (Rekuperation).
Den strengen Winter 2011/2012 hat das Fahrzeug weitgehend problemlos durchfahren. Entscheidend für das Fahren bei tiefen Temperaturen ist die elektrische Zusatzheizung im vorderen und hinteren Traktionsbatteriefach. Diese verhindert nach kalten Nächten mit schneller Abkühlung ohne Witterungsschutz eine kritische Unterspannung unter Belastung. Ein weiterer Schlüssel zum problemlosen Winterbetrieb des Fahrzeugs ist die von der Traktionsbatterie weitgehend unabhängige Benzinstandheizung des Innenraums. In der Praxis wurden Verkehrsstaus mit einer Fahrtdauer von über 2 Stunden problemlos und ohne Reichweiteneinschränkung überstanden.
Stand der Untersuchungen und nächste Schritte
Nach den über 15.000 Erprobungskilometern ist das Team überzeugt, dass elektrisches Autofahren für viele Verkehrsteilnehmer auch im ländlich-urbanen Raum bereits heute möglich ist.
Kaufanreize oder Förderungen für Elektrofahrzeuge sind in vielen Ländern Europas in Diskussion. Gerade für den ländlich-urbanen Raum mit größeren Fahrtstrecken ist ein gesichertes dezentrales Laden während der Arbeitszeit oder Verweilzeit bei Besorgungen sehr attraktiv. Als Kaufanreiz wird daher ein neues Fördermodell »Elektro-Duales Laden« vorgeschlagen. Dieses fördert für den Erwerber eines Elektrofahrzeuges die Einrichtung eines Ladepunktes zu Hause und darüber hinaus die Einrichtung eines Park- und Ladepunktes an einem zweiten Zielort des Käufers wie z.B. der regelmässigen Arbeitsstätte.
Derzeit werden im Projekt unterschiedliche Geschwindigkeits- und Leistungsanforderungen an das Fahrzeug in den Fahrzyklen ausgewertet. Ziel ist es, stromsparende Fahrweisen inklusive Freilauf-Fahrt zu identifizieren und zu validieren. Parallel dazu erfolgt der Abgleich eines Simulationsmodells sowohl für die Längsdynamik als auch für die detaillierte Energiebilanz der Verbraucher im Bordnetz (Licht, Lüftung, Scheibenwischer usw.). Untersuchungen zur begleitenden Unterstützung des Antriebs und der Reichweite durch Schwungradspeicher sind gestartet.
Prof. Dr. Andreas Daberkow
Hochschule Heilbronn