Batterieforschung im Fokus

An der Schnittstelle zwischen Elektromobilität und Netzanbindung
Nach dem 2009 ausgesprochenen politischen Wunsch nach einem deutschen »Leitmarkt für Elektromobilität« hat die 2011 beschlossene Energiewende einen zweiten grundlegenden Eckpfeiler für die Erforschung elektrischer Energiespeicher gesetzt. Nicht nur langlebig und mobil sollen Batterien werden, sondern fortan auch stationär und netzregulierend.
Das EWE-Forschungszentrum für Energietechnologie NEXT ENERGY bearbeitet ein übergreifendes Konzept, das all diese Anforderungsprofile gleichermaßen bedient:
Mit Deutschlands erster Batteriewechselstation verfügt das Institut über ein Forschungsobjekt, an dem sich die Schnittstelle zwischen mobilem Alltagseinsatz, Bereitstellung von Netzdienstleistungen und Batteriealterung im Realbetrieb abbilden lässt. Damit können die Oldenburger Wissenschaftler ihr gesamtes Potenzial in der Batterieforschung von der Elektrochemie bis zur Netzintegration ausschöpfen.
Als wesentlicher Bestandteil des Forschungsprojekts Grid-Surfer wurde die Station mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie realisiert. Sie ist mit einer eigens konzipierten Wechselmechanik ausgestattet und kann bis zu sechs Batterien vorhalten – und für den vollautomatischen Batterietausch bereitstellen. In der Praxis bedeutet das: Der Autofahrer kann die Fahrt nach nur vier Minuten mit einem geladenen Akku fortsetzen, ohne das Fahrzeug verlassen zu müssen. Damit könnte die Batteriewechselstation Grundlage sein für interessante Geschäftsmodelle, zum Beispiel für Taxiunternehmen oder medizinische Dienste.
Die Realisierbarkeit entsprechender Projekte mit Fuhrparkbetreibern wird derzeit geprüft. Dabei geht das Interesse der Energieforscher weit über den reinen Fahrbetrieb hinaus. »Wir wollen erforschen, welchen Stellenwert ein Wechselsystem in der Gesamtinfrastruktur der Elektromobilität einnehmen kann und unter welchen Rahmenbedingungen sich ein ökonomischer und ökologischer Nutzen darstellen lässt«, erklärt Frank Schuldt, Themenfeldleiter Batteriesystemtechnik bei NEXT ENERGY. Mit ihren systemtypischen Anforderungen werde sich die Elektromobilität spürbar von unserer bisher bekannten Art der Fortbewegung mit Verbrennungsmotoren unterscheiden, ist sich der Ingenieur bewusst. Viele Fragen seien noch ungeklärt. »Die Antworten liegen zwar längst in der Theorie als Ideen und Skizzen vor, müssen sich jedoch noch in der Praxis beweisen.«
Mit Blick auf die Nutzung Erneuerbarer Energien erschließt die Batteriewechselstation mit ihrem bidirektionalen Ladekonzept ein weiteres Forschungsfeld für die Wissenschaft: Bei NEXT ENERGY wird untersucht, ob sich Traktionsbatterien in Zweitanwendung auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als stationäre Speicher einsetzen lassen. In der Station könnten sie – sofern sie nicht im mobilen Einsatz sind – mit der Kapazität von bis zu sechs Batteriepacks zum Beispiel für die Stabilisierung des Stromnetzes genutzt werden. »Mit einer kumulierten Speicherkapazität von 180 kWh und einer maximalen Leistung von 360 kW sind wir grundsätzlich in der Lage, auch gleichzeitig Netzdienstleistungen bereitzustellen«, sagt Dr. Wedigo von Wedel, Bereichsleiter Energiespeicher bei NEXT ENERGY. Dafür verfüge die Batteriewechselstation über speziell ausgestattete Wechselrichter für den Anschluss an das örtliche Verteilnetz. »Jeder einzelne der sechs Wechselrichter ist in der Lage, die Batterien zu laden, aber auch gezielt zu entladen und die Energie dem Verteilnetz zur Verfügung zu stellen«, so von Wedel.
Eine wichtige Funktion kommt der Einspeisung von Blindleistung zu, mit der eine Steigerung der Aufnahmekapazität des Verteilnetzes für Erneuerbare Energien, zum Beispiel aus Photovoltaik, ermöglicht wird. Damit leistet die Wechselstation einen zusätzlich wertvollen Dienst zur Integration Erneuerbarer Energien und empfiehlt sich als Baustein einer neu zu entwickelnden Infrastruktur für das Stromnetz der Zukunft. Perspektivisch wäre damit zum Beispiel ein Ausgleich von Schwankungen aufgrund der unregelmäßigen Einspeisung Erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne denkbar. Inwieweit die Leistungsfähigkeit der Batterien durch die permanenten Be- und Entladezyklen in der mobilen und stationären Anwendung beeinträchtigt wird, können die NEXT ENERGY-Wissenschaftler ganz praxisnah analysieren: »Die Batteriewechselstation bietet uns dafür beste Möglichkeiten, weil wir das Alterungsverhalten der Traktionsbatterien direkt im Anschluss an den mobilen Einsatz überprüfen können. Ihr Zustand wird geprüft, sobald sie zur Wiederaufladung in das Hochregal der Station gefahren wird«, erklärt von Wedel. So kann zum Beispiel erforscht werden, welche Auswirkungen die Verschaltung der einzelnen Zellen auf den Gesamtverbund hat. Aufschlussreich könnte auch die Erforschung bestimmter Zelltypen sein, die sich besonders gut für einen Betrieb in Großbatterien eignen. Weitere Effekte, die durch die kombinierte Nutzung entstehen, lassen sich zum Beispiel in Langzeittests analysieren. Die dadurch gewonnenen Daten bilden die Basis für materialwissenschaftliche und systemtechnische Optimierungen, die in Verbindung mit geeigneten Betriebsführungsstrategien eine längere Lebensdauer der Batterie ermöglichen. Im Ergebnis könnte somit eine Senkung der Betriebskosten erreicht werden.
Heinke Meinen
NEXT ENERGY
www.next-energy.de

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