Die Marketingkatastrophe Elektromobilität
Auf der diesjährigen Automobilmesse in Genf wurde von manchen Vertretern der Presse die Elektromobilität wieder einmal »zu Grabe getragen«. Hinter vorgehaltener Hand waren auch von einigen führenden Mitarbeitern der Automobilindustrie erleichterte Stimmen zu hören. Der heimliche Wunsch nach dem Ende des Hypes »Elektroauto« konnte hier und da vernommen werden.
In vielen Presseartikeln wird beklagt, dass die 2011er Zulassungen für Elektroautos in Deutschland lächerlich seien. Die Kunden wollten scheinbar keine eAutos kaufen, weil sie viel zu teuer, wenig leistungsfähig und dazu auch noch »höchst unsicher« seien, was durch »mehrere brennende Batterien« (Zitat SZ) beim Chevrolet Volt ja auch bewiesen sei.
Begibt man sich auf die Suche nach der möglichen Ursache dieses offensichtlichen Desasters bei der Einführung der Elektromobilität in Deutschland, so stellt man fest, dass sich insbesondere die deutsche Autoindustrie in Schweigen hüllt. Dabei trägt sie aus meiner Sicht die Hauptschuld an der Misere. Drei Gründe dafür:
1. Gerade die deutsche Autoindustrie hat in den letzten Jahren mit der Elektromobilität systematisch die »Kommunikation mit Nebelkerzen« verfolgt. Am laufenden Band wurden auf Messen »bahnbrechende Konzepte« präsentiert, die aber in den internen Entscheidungsprozessen niemals eine Chance hatten oder bekamen, oder in der Zwischenzeit auf die »ganz lange Bank« geschoben wurden. Zwei aus vielen Beispielen mögen das verdeutlichen. So hat Audi z.B. in Genf 2010 das geniale Konzept des A1 etron präsentiert, ein Elektroauto mit einem kleinen Motor als Range Extender. Mit riesigem Kommunikationsaufwand wurde den Kunden suggeriert, dass Audi eine bezahlbare und überlegte Lösung entwickelt hat, die man »bald« kaufen könne. Zwei Jahre später ist es sehr still um das Projekt geworden. Die sonst so aktive Marketingabteilung äußert sich nicht (mehr) zu diesem Thema. Kaum ein Marktteilnehmer rechnet noch vor 2014 mit diesem Auto.
Auch bei Daimler beherrscht man das Verfahren der »taktischen Ankündigung«. Auf der IAA 2009 zeigte man die SKlasse als »seriennahen« Plug-in Hybrid. Man rühmte sich als »erster Premium Hersteller, der konsequent den Weg der Elektrifizierung in allen Baureihen gehen wird«. Nach nunmehr zweieinhalb Jahren ist von dieser Strategie wenig übrig geblieben. Der Plug-In Hybrid kommt (wenn überhaupt) nicht vor 2014 auf den Markt. Für die A/B-Klasse gibt es nach wie vor keinen Termin für den Serienstart einer elektrifizierten Variante. Einzig der Serienstart des smart ed wird halbherzig Quartal für Quartal nach hinten geschoben. In Genf hörte man von »echten Stückzahlen nicht vor September/Oktober 2012«.
2. Keine Kunden ohne attraktive Elektroautos! Deshalb ist die Betrachtung irgendwelcher Zulassungsstatistiken nahezu grober Unsinn, denn: In Deutschland kann man nach wie vor keine Großserien-Elektroautos kaufen. (Mal abgesehen vom i-MiEV und dessen Derivaten von Peugeot und Citroën). Deshalb werden wir auch 2012 kaum bedeutendere Zulassungszahlen für Plug-In Autos in Deutschland sehen. Die »unglückliche« und verzögerte Markteinführung des Opel Ampera ist hierbei auch nur eins von vielen Beispielen. Bei Opel heißt es nun, »Bestellungen werden ab dem zweiten Quartal 2012 angenommen«. Das ausgerechnet gleichzeitig mit der wichtigen Messe in Genf die Muttergesellschaft in Detroit erst einmal die Produktion unterbricht, könnte man auch als »bad timing« bezeichnen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist das Ampera Verkaufsziel von »mindestens 10.000 Einheiten in 2012« wahrscheinlich zu ambitioniert. Ich hoffe nicht, dass bei der Jahresbilanz die Kunden den schwarzen Peter zugeschoben bekommen. An der Nachfrage hat es nicht gelegen.
Nur wenige Kunden werden in Deutschland auch im Jahr 2012 Großserien-Fahrzeuge kaufen können. Nissan Leaf, smart ed und Ford Focus werden zwar 2012 offiziell in Deutschland in den Markt eingeführt – »in der Praxis« wird sich die Markteinführung aller dieser Autos jedoch bis tief in den Herbst diesen Jahres »verzögern« und damit wird das Jahr 2012 auch ein verlorenes Jahr für die Elektromobilität sein. Gutes Marketing geht anders.
3. Statt mit innovativem Marketing die Kunden proaktiv zu informieren, überlässt die deutsche Autoindustrie das Feld lieber der ohnehin nicht sehr innovationsfreudigen Presselandschaft. Diese verunsichert die potentiellen Kunden dann mit teils schlecht abgeschriebenen »Informationen« und teils mit dilettantischen »Praxistests« von eAutos, die man sowieso nicht kaufen kann. Gott sei Dank lässt sich der Markt bei richtig guten Innovationen nur peripher durch solche Artikel und Kommentare beeinflussen. Viel zu gerne erinneren wir uns noch an die ersten Artikel der Spiegel Redakteure über die neuen Apple Produkte. »Zu teuer« (iPhone) und »braucht keiner« (iPad). Deshalb sollten wir den sogenannten »Praxistest« des wirklich innovativen Opel Ampera von genau diesen scheinbar weltfremden Redakteuren nicht besonders ernst nehmen.
Wenn nun verunsicherte Kunden, von den Herstellern gezielt falsch informiert, trotzdem im Autohaus ein Elektroauto bestellen wollen und dann im Frühling 2012 immer noch erfahren müssen, dass es (noch) keine zu kaufen gibt, dann kann man das wohl ohne Probleme als Marketingkatastrophe bezeichnen.
Allerdings wird sich die Elektromobilität trotzdem auch in Deutschland durchsetzen. Nicht nur, aber besonders der Benzinpreis und die heutige gnadenlose Abhängigkeit der individuellen Mobilität von fossilen Brennstoffen zwingen die Kunden zum Umdenken. Es wird Autohersteller geben, die die neu entstehenden Kundenbedürfnisse nach elektrischem Fahren mit Strom aus erneuerbaren Quellen professionell befriedigen werden. Leider müssen sich die innovativsten dieser Unternehmen zunächst einmal generell den Zugang zum komplexen deutschen Automarkt verschaffen. Das dauert. Und das ist der Hauptgrund für die zwischenzeitliche »kleine Depression« im deutschen Markt für eAutos.
Dr.-Ing. Jan Traenckner
BEM-Beiratsvorsitzender
VentureCheck Company
www.venturecheck.com