Die Transformation hat begonnen
01.09.2021 / DIE WELT / Editorial von BEM-Vize-Präsident Christian Heep / Smart Mobilität
Noch nie hat der Wirtschaftsapparat so umfassend seine Prozesse auf Umwelt-Verträglichkeit geprüft, wie das gegenwärtig der Fall ist. Die EU-Positionen, das Pariser Klima-Abkommen und das Karlsruher-Urteil beschleunigen die Transformation der deutschen Wirtschaft. Unternehmerisch erleben wir Aufbruch und Begeisterung. Politisch betrachtet gibt es allerdings keinen Masterplan für diese Transformation. Neben den Unternehmen, die sich um ihre Produkte, Lieferketten und Nachhaltigkeitsbilanzen kümmern, müssen Verwaltungsprozesse, Gesetze und Zielrichtungen geändert werden und damit Handlungsabläufe und Denkstrukturen. Hier hat die scheidende Bundesregierung große Defizite aufgebaut. Vision grünes Deutschland? Fehlanzeige. Vorreiter Verkehrswende? Leider verpasst.
Die Entwicklung ist begünstigt durch die Fördermittel des Bundes; doch Fördermillionen allein liefern keine Verkehrswende. Damit Umwelteffekte tatsächlich eingefahren werden können, braucht es eine systematische Reform. Wir bestärken die Politik, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen, wie es unsere europäischen Nachbarn bereits tun: Neben einem Enddatum für die Neuzulassung von Benzin- und Dieselfahrzeugen gehört der zeitnahe Stopp sämtlicher Förderprogramme für Verbrennerfahrzeuge auf Bundes- und Landesebene zu den Empfehlungen.
Die Reform stellt für alle eine große Herausforderung dar, etwa Dinge miteinander neu zu denken, die früher keine Verbindung hatten. In Fachkreisen heißt das: interoperable Systeme. Energie mit Verkehr, Verkehr mit Daten, Daten mit Energie. Die Digitalisierung der Mobilitätsprozesse befördert Geschäftsmodelle und kann dadurch Umweltlösungen bauen. Das alles begreifen wir derzeit erst und blockieren es noch; mit Fax-Geräten, Excel-Listen und dem Warten auf den Befehl von oben.
Transformationen sind keine einfache Sache, darüber sind wir uns einig. Doch auf Altem zu beharren, was uns selbst schon längst nicht mehr überzeugt, ist auch keine Alternative.
Umso wichtiger sind jetzt verantwortliche Unternehmen, die in Aktion treten und das Bewusstsein um Ressourceneffizienz und Generationenrücksicht schärfen. Das Tolle ist, es gibt sie bereits, diese Macher – in großer Anzahl – und man kann nur beeindruckt sein, wie zielstrebig die Führungskräfte in der Privatwirtschaft und unter den Bedingungen von Corona daran arbeiten, Handlungen auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen, neue Produkte zu entwickeln und trotz mangelnder Rahmenbedingungen und junger Märkte ihre Geschäftsmodelle aufzubauen und ins Risiko zu gehen.
Der Schlüssel des Erfolgs liegt in neuen Kooperationen, zum Verlassen alter Pfade: Die Elektromobilität gibt das Beispiel bei der Schaffung neuer Verknüpfungen: Elektrische Energie laden statt Benzin und Diesel tanken – Sharing statt Eigentum – digital statt analog – regional verfügbare Energie statt Kraftstoffimport – Ressourceneffizienz statt Verschrottung – und vieles mehr. Hier können institutionelle Player nicht auf ihrem Sockel stehen bleiben und alte Ängste forcieren, sondern sollten sich mit einem Reform-Dialog verpflichten, die eigenen Schwachstellen aktiv anzugehen und Projekte nachhaltigen Wirtschaftens umzusetzen.
»Damit Umwelteffekte tatsächlich eingefahren werden können, braucht es eine systematische Reform.«
⇢ BEM-Vize-Präsident Christian Heep
⇢ Issuu-Link / Onlinezugang zur Ausgabe