Einspurig aus der Zulieferer-Falle
20. April 2017 / Artikel erschienen in der ⇢ Mittelbayerischen Zeitung – Themenwoche »Neue Mobilität«
Mobilität von morgen ist elektrisch, sagen Experten. Das bedroht die konventionelle Branche. Ein Unternehmer hat reagiert.
Von der Schreibmaschine zum Computer, von der Polaroid- zur Digitalkamera – ähnlich groß verläuft der Fortschritt vom Verbrennungs- zum Elektromotor bei Fahrzeugen. Der Technologiewechsel weg von Benzin und Diesel, hin zum Strom aus der Steckdose mischt bei Herstellern die Karten völlig neu. Das bringt aus Sicht des »Instituts Neue Mobilität« (INM) auch die Automobil-Zulieferer in die Bredouille: Deren bisheriges Geschäftsfeld – Komponenten für Fahrzeuge mit klassischem Verbrennungsmotor – werde an Bedeutung verlieren. Eine durchaus bedenkliche Prognose gerade aus Kelheimer Sicht, wo Autohersteller und -zulieferer derzeit wesentlichen Anteil an der hohen Wirtschaftskraft im Landkreis haben.
Zulieferer könnten der Technologiefalle allerdings entkommen, indem sie sich zum Hersteller im Elektro-Bereich weiterentwickeln, rät das INM. Johann Hammerschmid aus dem österreichischen Bad Leonfelden hat dies anfang der 2000er-Jahre genauso gesehen – und gehandelt: Rund 20 Jahre nach Gründung seiner gleichnamigen Maschinenbaufirma hat Hammerschmid ein neues Unternehmen ausgegründet: die »Johammer e-mobility GmbH«. Seit 2005, mit Umwegen, entwickelte er ein Elektro-Motorrad komplett neu. 2014 hat er sein »Baby« in die Motorradwelt gesetzt: die »J1«. Warum ihm dieser Weg zwingend erschien, schildert Hammerschmid im Interview mit unserem Medienhaus.
Experten prognostizieren, dass das klassische Geschäftsmodell von Automobilzulieferern immer schwieriger wird und empfehlen als einen Ausweg, sich vom Zulieferer zum Hersteller weiterzuentwickeln. Haben Sie aus dem Grund »Johammer« gegründet?
Unsere Firma hat tatsächlich genau diesen Ursprung: Unser Kerngeschäft waren bisher Produktionsanlagen für die Automobil-Industrie – das machen wir immer noch, aber der Anteil sinkt. Es war nämlich schon 2003 spürbar, dass sich die Mobilität ändern wird. Seither beschäftigen wir uns mit Leichtbau und alternativen Fahrzeugkonzepten.
Inwiefern alternativ?
Die Herstellung klassischer Automobile hat sich vom Konsumenten entfernt: Es muss immer mehr der Fahrer dem Fahrzeug dienen anstatt umgekehrt. Hinzu kommt die Umweltproblematik bei klassischen Automobilen. Alles Gründe dafür, dass sich etwas ändern muss. Die Richtung dabei ist klar: hin zum Elektroantrieb.
Ein echter Ersatz fürs Auto ist Ihr neues Produkt ja noch nicht: ein Motorrad mit Elektroantrieb…
Ein Auto, sprich: ein mehrspuriges Fahrzeug hätten wir uns in der Entwicklung niemals leisten können. Im Nachhinein war die Entscheidung für ein einspuriges Fahrzeug allerdings ein Riesenglück: Mit einem Motorrad kann ich Emotionen und eine Lebenseinstellung viel besser transportieren – einspurig hat einfach eine Spur mehr Verrücktheit!
Das hört sich an, als wären Ihre Maschinen noch nicht gerade Massenprodukte?
Das sind Pionierfahrzeuge und entsprechend teuer – da braucht es Pionier-Fahrer und ein Pionier-Segment.
Also Leute, die sich so einen Luxus leisten können und wollen…
Nicht Luxus – der hat mit eMobilität wenig zu tun. Unser Angebot zielt eher auf die »Lohas« ab [englische Abkürzung für einen ,von Gesundheits- und Nachhaltigkeits-Bewusstsein geprägten Lebensstil’; die Red.]. Solche Lohas gibt es in allen Gesellschaftsschichten.
Wie sieht denn dann der typische eBiker aus, auf den Sie abzielen?
Unsere Kunden sind nicht so sehr die klassischen Motorradheft-Leser, die ein Sportgerät suchen. Sondern eher Fans von Elektromobilität, von erneuerbaren Energien – die außerdem das Fahren genießen wollen; zahlungskräftigere Kunden ab 45 aufwärts. Deshalb wollten wir kein sportliches Motorrad entwickeln, sondern einen Cruiser – was anfangs extrem schwierig war.
Inwiefern?
Für längere Touren braucht es eine entsprechende Reichweite. Wir haben deshalb unsere eigene Akku-Architektur entwickelt. Sie basiert auf der Lithium-Ionen-Technologie und nutzt dasselbe Zellenmaterial wie der Tesla.
Aber im Prinzip lautete Ihre Geschäftsidee: Verbrennungsmotor raus, Elektro-Motor rein?
Nein, nein, genau das reicht eben nicht; das sieht man an Elektroautos: Schauen aus wie konventionelle Autos und wecken konventionelle Erwartungen – können diese aber nie erfüllen. Mit Verbrennungs- und Elektromotoren ist es ähnlich wie bei Schweinsbraten und Schnitzel: Beides schmeckt gut, aber eben unterschiedlich.
Wie wird ein Bike, im übertragenen Sinne, vom Braten zum Schnitzel?
Wir haben alles neu designt: Rahmen, Antrieb und so weiter. Unser Produkt muss für sich selbst sprechen.
Was sagt es denn?
Unser grundlegendes Entwicklungsgesetz hieß: »Design follows function«. Elektro-Fahrzeuge können eh keine blitzenden Zylinder, große Vergaser und glänzenden Auspuffrohre herzeigen – sie laufen ja nicht mit primitiven Explosionen, sondern mit intelligentem Antrieb. Statt dessen setzen wir auf Langlebigkeit, Wartungsfreiheit und Pflegeleichtigkeit. Beispielsweise ist das Bike quasi abwischbar – bis hin zu den Rädern. Wer will schon Speichen putzen?!
Haben Sie sich mit diesem Konzept schon einen Markt erobert?
Hm, der Markt und das Bewusstsein der Menschen sind – vorsichtig formuliert – was sehr Statisches. Sie wollen überzeugt sein, und das braucht Zeit. Für eine Serienproduktion ist der Markt, jedenfalls bei uns, noch nicht reif. Unser Ziel ist zwar schon, dass unsere eMotorräder ein wirtschaftlich tragfähiges Unternehmen respektive Unternehmenssparte werden. Aber das wird noch Jahre dauern.
Wo sehen Sie Ihre Märkte? In Österreich und Deutschland?
Deutschland ist viel zu mühsam. Das wollen’S gar nicht wissen… Es gäbe zum Beispiel eine EU-Richtlinie für eine vereinfachte Zulassung für kleinere Fahrzeuge, aber das interessiert Deutschland wenig. Wir strecken die Fühler schon weit aus: Schweiz zum Beispiel oder Holland. Und wir suchen auch Partner für die Vermarktung. Die müssen aber wissen, dass mit unseren Bikes auf Jahre hinaus noch kein Gewinn zu erzielen ist.
Hört sich unterm Strich doch recht mühsam an. Ist der Wandel Ihres Unternehmens eher auf Ihre Unternehmungslust zurückzuführen oder auf einen unausweichlichen Trend?
Ein so großer Innovationssprung ist schon unüblich. Aber uns bleibt aus strategischen Gründen nichts anderes übrig: Wir müssen uns eine Nische für die Zukunft sichern – jetzt, wo es für so eine Nische den Markt noch gar nicht gibt. Die Großen tun sich damit schwerer; sie müssen immer schön ihren Kunden folgen. Nehmen Sie den Elektro-BMW i3: Ein typischer BMW-Fahrer muss kotzen bei diesem Auto. Es dient BMW nur dazu, beim Kunden behutsame, langsame Veränderungen zu entwickeln.
Sind Sie zufrieden mit der bisherigen Entwicklung Ihres neuen Unternehmens?
Sehr! Weil es uns wahnsinnig viel ermöglicht hat und wir uns technologisch eine sehr gute Position erarbeitet haben. Technologie plus Marktwissen, das ist eine gute Ausgangsbasis und interessant für andere Unternehmen.
Planen Sie den Verkauf des Unternehmens?
Nein, aber Beteiligungen oder partnerschaftliche Entwicklungen mit anderen Unternehmen. Parallel dazu wollen wir selbst den Markt weiterentwickeln und lebendig gestalten.
Wenn der Trend so eindeutig in Richtung Elektromobilität geht, werden Ihnen die großen Hersteller bald Konkurrenz machen…
Die konventionellen Hersteller wollen natürlich dabei sein. Aber bei der Elektromobilität werden die Karten völlig neu ausgegeben, was Herstellung, Vertrieb und Service betrifft. Diesen Paradigmenwechsel werden die konventionellen Hersteller kaum schaffen.