Elektro-Vertrieb: Stiefkind Stromer
Artikel erschienen auf ⇢ www.automobilwoche.de / 07. März 2017
Noch tut sich der Autohandel schwer, alternativ angetriebene Fahrzeuge und insbesondere Elektroautos mit Begeisterung an den Kunden zu bringen.
Tesla treibt die Branche vor sich her. Der US-Hersteller zeigt, dass Elektroautos gut aussehen und auch langstreckentauglich sein können. Tesla weckt Begehrlichkeiten: Das Tesla Model 3 hatten eine Woche nach der Produktvorstellung im Frühjahr 2016 schon 325.000 Menschen vorbestellt – ein Auto, das erst 2017 auf den Markt kommen soll.
Das setzt andere Autobauer mächtig unter Druck. Hierzulande startete BMW Ende 2013 den Vertrieb seiner i-Modelle über ein Mehrkanalsystem. 2016 war der i3 mit 2863 Zulassungen das meistverkaufte eModell in Deutschland, knapp vor dem Renault Zoe (2805). Mittlerweile hat BMW angekündigt, auch andere Baureihen zu elektrifizieren. 100.000 eAutos und Hybride will man 2017 verkaufen. Mindestens sechs neue eModelle plant Wettbewerber Daimler bis 2024 unter der Submarke EQ. Hyundai setzt derzeit auf den Ioniq, der als Hybrid, Plug-in und rein elektrisch angeboten wird. Zuletzt investierten die deutschen Händler in neue Standards für die jüngst gestartete reine Elektro-Version – Vertriebstrainings und Serviceschulungen sollen die Partner fit machen für die neuen Modelle. Als Kampfansage an Teslas Model 3 schickt Opel im Sommer den Ampera-e auf den deutschen Markt. Stärkstes Verkaufsargument für die Vertriebspartner dürfte seine Reichweite von über 500 Kilometern sein, mit dem das keineswegs für die Nische geplante Modell punkten soll. Und Toyota, Weltmarktführer bei alternativen Antrieben, hat bislang noch gar kein batterieelektrisches Auto im Angebot, will aber nachziehen.
An neuen eModellen dürfte es künftig also nicht mangeln, wohl aber an der Leidenschaft der Verkäufer. Dies legen zumindest zwei Studien nahe. So bestätigt eine Untersuchung des Münchner Transfer-Instituts, dass alternative Antriebe im Beratungsgespräch bei Autohändlern derzeit noch unter ferner liefen rangieren. Untersucht wurde Ende 2015, wie gut die Vertriebspartner der Autobauer auf die Beratung potenzieller eAuto-Kunden vorbereitet sind.
14 Hybride und Stromer im Fokus
In den Fokus nahmen die Marktforscher 14 Hybrid- und eModelle verschiedener Hersteller – und stellten fest, dass auch bereits vorhandene Elektro- und Hybridmodelle in der Vertriebspraxis kaum eine Rolle spielen. »Interessierte Kunden erfahren im Autohaus häufig eine Behandlung, die das Wort ‚Beratung‘ eigentlich nicht verdient«, sagt Transfer-Geschäftsführer Dirk Römmelt. Vielfach komme es schon deshalb gar nicht erst zu einem persönlichen Beratungsgespräch, weil die entsprechenden Modelle vor Ort nicht verfügbar seien, beispielsweise, um eine Probefahrt zu machen. Bei der Transfer-Untersuchung mussten die Verkäufer bei fast jeder zweiten Anfrage passen. Autohäuser, die Vorführwagen hatten, präsentierten diese meist weniger prominent als die konventionellen Modelle. Nur gut die Hälfte der getesteten Verkäufer verwies auf ökologische Vorteile. Nachholbedarf gibt es auch beim Ladevorgang der Stromer, der nur selten demonstriert wurde.
Vor allem im Nachgang des Verkaufsgesprächs attestierte die Transfer-Untersuchung den Händlern Versäumnisse: In jedem zweiten Fall wurde bei Kaufinteressenten nicht mehr nachgefasst. Dies deute Artikel und Datensuche darauf hin, »dass kein reales Verkaufsinteresse seitens der Autohäuser an alternativen Antrieben zu bestehen scheint«.
Besser als bei reinen Elektroautos sieht es bei Hybridfahrzeugen aus. So wurden die Testkäufer bei Hybridmodellen generell besser informiert und beraten. Offenbar sind Verkäufer mit diesem Antriebskonzept vertrauter – und von den Vorteilen der Technologie auch eher überzeugt. Zumindest konnten die Hybridmodell-Verkäufer im Rahmen der Studie souveräner auf kritische modellspezifische Fragen antworten als ihre Kollegen, die für reine Elektrofahrzeuge zuständig waren. Außerdem schafften sie es häufiger, den Testkäufer zu begeistern. Doch auch wenn die Studie relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Marken feststellte, »bestehen dennoch reichlich Optimierungsmöglichkeiten bei allen Playern«, betont Studienleiter Römmelt.
BMW enttäuscht
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam im Frühjahr 2016 die Testkaufstudie für den Triple A – den Automobilwoche Award Autohandel. So war das Ergebnis der Sonderauswertung zur Verkaufsberatung bei umweltfreundlichen Technologien ernüchternd: Nur Toyota trieb das Thema auch im Verkauf voran, alle anderen untersuchten Marken lagen deutlich abgeschlagen.
Speziell Elektrofahrzeuge wurden keineswegs da am häufigsten angeboten, wo man es am ehesten erwartet hätte, nämlich bei BMW-Händlern, die mit BMW i ja sogar eine eigene Submarke für die Stromer vertreten. Stattdessen profilierten sich beim Triple A 2016 vor allem Mercedes-Benz- und Renault-Händler als E-Auto-Experten, erst dann folgten Partner des Münchner Autobauers vor den Verkäufern in Nissan-Autohäusern.
Über alle alternativen Antriebsarten betrachtet zeigte die Untersuchung der Marktforschungsfirma Dr. Freitäger AG, dass nur in gut einem Viertel die Verkäufer die Initiative beim Thema »umweltfreundliche Fahrzeuge« ergriffen. Wirklich begeistern konnten sie die Testkäufer allerdings nicht. So vermissten die Testkunden bei den meisten Verkäufern neben fachlichen Aspekten vor allem die Ausführlichkeit der Beratung und die Überzeugungskraft.
Gefragt nach dem umweltfreundlichsten Antrieb empfahlen Toyota-Berater den Hybrid, während ihre Kollegen – weitgehend unbeeindruckt vom Abgasskandal – auf den Diesel verwiesen.
Dass eAutos bisher eher Ladenhüter sind, lastet auch Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität, in erster Linie den Verkäufern an: »Gehen Sie einfach einmal in ein BMW-Autohaus oder eines von VW und fragen explizit nach einem Elektroauto. Die Antwort wird sein: Tun Sie sich das nicht an. Wir haben hier stattdessen das Tageszulassungsangebot eines Verbrenners mit extrem hohen Rabatten«, sagte der frühere Audi-Manager kürzlich in einem Interview. »Dieses Verhalten der Verkäufer ist keine Erfindung von mir«, so Sigl weiter. »Wir haben das mehrfach getestet.«