Elektromobilität darf kein Privileg für wenige sein

Interview mit Franz Logen zum Schaufenster Baden-Württemberg »LivingLab BWe mobil«
Baden-Württemberg wurde als eine der Schaufensterregionen ausgewählt. Wann können wir mit den ersten sichtbaren Aktionen rechnen?
Bereits im Oktober 2012 startet zum Beispiel das Projekt car2go electric in Stuttgart mit 300 eFahrzeugen und der entsprechenden Ladeinfrastruktur. 2013 wird die Flotte sogar noch auf 500 Fahrzeuge aufgestockt. Das wird aber nur der Auftakt für viele weitere eFahrzeuge in der Region Stuttgart und Karlsruhe sein. Insgesamt werden im Schaufenster Baden-Württemberg mehr als 3.000 eFahrzeuge unterschiedlichster Fahrzeugklassen und -typen – vom Bus über Transporter bis zum eCity-Flitzer – unterwegs sein.
Was zeichnet das »LivingLab BWe mobil« aus? Wie hat Baden-Württemberg die Bundesregierung überzeugen können?
Ich denke, dass vor allem unser systemischer Ansatz, der alle Bereiche der Elektromobilität abdeckt, die Jury überzeugt hat. Mit über 120 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand haben wir eine enorme Bandbreite an unterschiedlichsten Projekten entwickeln können. Wir haben herausragende Projekte mit großem Fahrzeug- und Infrastrukturvolumen, die es uns ermöglichen, einen experimentellen Markt zu schaffen, neue Geschäftsmodelle zu erproben und Technologien zu validieren. Insbesondere beim Thema Intermodalität haben wir einen Schwerpunkt gesetzt, den mancher Kritiker dem Automobilland Baden-Württemberg auf den ersten Blick nicht zugetraut hätte.
Was erwartet die Bürger ganz konkret beim Thema Intermodalität?
Unsere Schaufensterregion hat eine der höchsten Personenund Pendlerdichten in Deutschland und braucht neue, intelligente Mobilitätslösungen, die verschiedene Verkehrsträger miteinander kombinieren. Für uns ist es wichtig, dass wir die verschiedenen Formen der Elektromobilität für sehr viele Menschen »erfahrbar« machen und damit auch die enormen Möglichkeiten, die darin stecken, sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern vermitteln können. Elektromobilität darf kein Privileg für wenige sein.
Ein zentrales Projekt, das unter Führung der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) initiiert wurde, beschäftigt sich daher damit, verschiedene elektromobile Verkehrssysteme intelligent mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu einem intermodalen Verkehrssystem mit einem einheitlichen Zugangsmedium – das kann ganz simpel eine Karte oder auch ein Smartphone sein – zu verknüpfen. Damit sind unmittelbar weitere Projekte verzahnt, die den Ausbau von Verleihsystemen wie car2go, e-Flinkster und ecall a bike der Deutschen Bahn AG in den Blick nehmen aber auch die Einführung einer Hybridbus-Linie der SSB im ÖPNV oder die Frage der Anschlussmobilität an S-Bahn-Haltestellen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Gleich sieben der insgesamt 41 Projekte des »LivingLab BWe mobil« fallen in das Themenfeld Flotten und gewerblicher Verkehr. Warum ist dieses Themenfeld so wichtig und was steckt hinter den Projekten?
Angesichts hoher Fixkosten und niedriger variabler Kosten werden Elektrofahrzeuge dann wirtschaftlich, wenn sie im Rahmen von Flotten und Fuhrparks möglichst stark ausgelastet sind. Deshalb hat dieses Themenfeld so eine hohe strategische Bedeutung für uns und bietet die Möglichkeit sehr viele eFahrzeuge auf die Straße zu bringen. Das Land Baden-Württemberg wird zum Beispiel beim eigenen Fuhrpark mit guten Beispiel vorangehen und den Anteil an möglichst emissionsarmen Fahrzeugen signifikant steigern. Im Projekt Get-E-Ready baut ein Konsortium unter der Führung von Bosch einen eMobilitäts-Infrastruktur-Dienst auf, der speziell auf Firmen, Kommunen und Geschäftskunden zugeschnitten ist, um den Einstieg in die eMobilität zu erleichtern. Mit dem Projekt Rheinmobil in Karlsruhe, in dem ein Konsortium unter der Führung von Michelin Elektrofahrzeuge im grenzüberschreitenden Pendlerverkehr in Richtung Elsass einsetzt, können wir einen ganz besonderen Aspekt untersuchen, der in den anderen Schaufenstern nicht erforscht werden kann. Weitere Flottenprojekte gibt es auf dem Flughafen Stuttgart oder im Bereich des Logistischen Wirtschaftsverkehrs mit DHL, UPS und DPD.
Mit dem »LivingLab BWe mobil« und dem kürzlich vom BMBF prämierten Spitzencluster »Elektromobilität Süd-West« verfügt Baden-Württemberg gleich über zwei Großprojekte der NPE. Gibt es Synergieeffekte zwischen diesen beiden Projekten?
Schaufenster »LivingLab BWe mobil« und Spitzencluster ergänzen sich in ihrer Wirkung gegenseitig perfekt. Sie bieten uns in Baden-Württemberg eine einmalige Chance, im Spitzencluster die Grundlagen für die Industrialisierung der Elektromobilität und die Erzeugung zukünftiger Produkte zu legen sowie gleichzeitig im Schaufenster die Alltagstauglichkeit der Elektromobilität zu zeigen und tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Baden-Württemberg kann auf belastbare Erfahrungen aus bisherigen Projekten zurückgreifen und so bundesweit einen wichtigen Beitrag leisten, um Deutschland zum Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität zu entwickeln.
Franz Loogen
Geschäftsführer
e-mobil BW GmbH
Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie Baden-Württemberg
www.e-mobilbw.de

Nach oben