Elektromobilität – die Chance für die deutsche Autoindustrie
Artikel aus dem Hamburger Abendblatt vom 06.10.2016
Die Automobilbranche durchlebt gerade schwierige Zeiten. Doch jede Krise birgt auch die Möglichkeit eines erfolgreichen Richtungswechsels.
Die Zeit der luftbelastenden und energieverschwendenden Fortbewegung neigt sich dem Ende zu. Jetzt sind die emissionsarmen oder sogar gänzlich emissionsfreien Antriebskonzepte dran. So kam der Skandal um den Einsatz illegaler Software zur Schönung der Abgaswerte bei Volkswagen gerade zur richtigen Zeit. Droht doch den deutschen Autobauern durch ihr Festhalten am Verbrennungsmotor und eine eher stiefmütterliche Behandlung der Elektromobilität der Verlust ihrer Spitzenposition. Ganz oben stehen längst andere. Jetzt gibt es die Chance, durch einen Kurswechsel wieder zur weltweit führenden Automobilnation zu werden. Eine Wende scheint auch angebracht, weil klar wird, dass ein Festhalten an den bisherigen Technologien nicht ausreicht, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Schon jetzt ist es kaum möglich, gesetzlich vorgegebene Grenzwerte einzuhalten, und die werden in den nächsten Jahren wegen des zunehmenden Klimaschutzes weiter verschärft.
Die Zeit ist reif für einen Turnaround
»Diese Krise bedeutet das Ende der gesamten Automobilwirtschaft, wie wir sie kennen. Und das ist gut so. Denn noch ist es möglich, unseren elektromobilen Rückstand in der Welt aufzuholen. Damit verbessern sich unsere Chancen auf ein in der Zukunft marktfähiges Produkt enorm: Elektroautos, die weltweit gekauft werden. Das bedeutet den Erhalt von Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und Wohlstand. Noch können die deutschen Hersteller den notwendigen Turnaround rechtzeitig einleiten«, so Christian Heep, Vize-Präsident im Bundesverband eMobilität, für den aufgrund der Tragweite der Krise »nun endlich die Stunde der Elektromobiliät gekommen ist«.
Diese Chance gelte es jetzt zu nutzen, um der Gesellschaft, der Politik, aber auch der Industrie aufzuzeigen, dass man gestärkt aus der Krise hervorgehen könne, wenn man mehr mache als reine Schadensbegrenzung, Posten zu tauschen und Gesetze übereilt anzupassen. »Um das verloren gegangene Vertrauen in das Automobil, in die Marken und insbesondere in die Glaubwürdigkeit gegenüber den Konsumenten wiederherzustellen, bedarf es keines Griffs in die Trickkiste«, so Heep weiter. »Es müssen nur endlich die vorhandenen und fortschrittlichsten Technologien konsequent in Großserie auf die Straße gebracht werden. Wenn wir das mit vollem Engagement und allen politischen Möglichkeiten angehen, können wir gemeinsam die Krise zum Anfangspunkt einer neuen Erfolgsgeschichte machen.«
Elektromobilität wächst weltweit
Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen – und bis 2030 sechs Millionen. Damit steht Deutschland im internationalen Vergleich eher im Mittelfeld. In China sollen es 11,9 Millionen werden, in den USA 3 und in Japan sowie in Frankreich sind 2 Millionen geplant. Elektrofahrzeuge werden ihren Nischenbereich erst verlassen können, wenn sie, verglichen mit konventionellen Fahrzeugen, von den Menschen als angemessene, praktikable und bezahlbare Alternative zur Lösung ihres Transportproblems angesehen werden. Ob die aktuellen Planungen und Maßnahmen des Regierungsprogramms Elektromobilität ausreichen, um das zu erreichen und Deutschland die technologische Marktführerschaft zu sichern, wird sich zeigen. Klar ist: Von den technischen Innovationen hängt ab, ob deutsche Unternehmen auch künftig auf dem Weltmarkt erfolgreich agieren können.
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