Ich würde ja gerne, aber..

Herr K., wohnhaft in München, möchte ein Elektroauto und eine Lademöglichkeit auf seinem Tiefgaragenstellplatz. Seit über einem halben Jahr versucht er, diesen Wunsch Realität werden zu lassen. Nein – es liegt nicht am fehlenden Fahrzeugangebot. Es gibt ja schon eine Reihe von Fahrzeugen zu kaufen. Die Herausforderung ist eine ganz andere, eine, die so einfach zu lösen scheint. Zum Betrieb eines Elektroautos werden ein Auto, eine Steckdose und natürlich ein Stromkabel zum Verbinden von Fahrzeug und Steckdose benötigt. Auto? Lösbar. Stromkabel? Kein Problem. Steckdose? Tja, die Steckdose..
Das Laden zu Hause und am Arbeitsplatz sollen ja die Schwerpunkte des Ladens der Fahrzeugbatterien sein. Laden am Arbeitsplatz? Nun, Herr K. ist Freiberufler und arbeitet in der Regel in seinem Home Office. Praktisch. Herr K. wohnt in einer größeren Wohnanlage mit über 50 Wohneinheiten und ebenso vielen Tiefgaragenstellplätzen. Eine in Großstädten durchaus übliche Wohnsituation. Auch wenn die Anlage erst vor circa fünf Jahren gebaut wurde – Steckdosen in der Tiefgarage sind Mangelware. Das sollte einfach zu lösen sein. Bestimmt kennt die Hausverwaltung einen Elektriker, der das schnell erledigt. Doch halt – der Elektriker muss ja ein Loch bohren, um die Steckdose an der Wand zu befestigen. Geht das so einfach? Ein befreundeter Anwalt bestätigt Herrn K., dass die Miteigentümer der Wohnanlage in so einem Fall zustimmen müssen. Praktischerweise steht die nächste Eigentümerversammlung kurz bevor, so dass die Hausverwaltung das bestimmt noch mit in die Agenda aufnehmen kann.
Wenige Tage später kommt die Einladung, und siehe da, Herr K. und seine Steckdose zum Laden eines Elektroautos sind Tagesordnungspunkt. Die Hausverwaltung möchte auch gleich das Mandat zur Beauftragung eines Handwerkers haben. Und – per Mail meldet sich auch der Verwaltungsbeirat. Der ist so begeistert von der Idee, dass er gleich um ein Gesamtkonzept für die Tiefgarage bittet. Herr K. ist angenehm überrascht, mit solch einer Resonanz hat er nicht gerechnet.
Erste Vorgespräche mit diversen renommierten und in der Elektromobilität engagierten Unternehmen sind vielversprechend. Die lokalen Stadtwerke sind für das Anbringen von Steckdosen in Tiefgaragen zwar nicht zuständig, doch sie können einen Elektriker empfehlen, der bereits Erfahrung damit hat. Geschätzte Kosten: circa 1.000 Euro. Ein anderes Unternehmen hat sogar über ein mögliches (Teil-)Sponsoring der Kosten nachgedacht, für Werbezwecke. Ein Anbieter von Ladestationen konnte sich schnell für die Idee begeistern, eine Tiefgarage mit über 50 Stellplätzen komplett für die »Verstromung« vorzubereiten. Sogar der Vertriebschef Süddeutschland wollte seine Aufwartung für eine Vor-Ort-Besichtigung machen. Erneut ist Herr K. begeistert.
Leider kam der Termin mit dem Vertriebsleiter dann doch nicht zustande. Und das Sponsoring? Die interne Rücksprache ergab, dass das »Werbebudget Elektromobilität« bereits vollständig anderweitig verplant war. Die Eigentümerversammlung rückte näher, doch Herr K. hatte weder Gesamtkonzept noch konkrete Angebote beisammen. Vielleicht ließe sich etwas über einen anderen Anbieter von Ladeinfrastruktur erreichen. Auch hier war – nach Schilderung der Situation an der Kundenhotline – schnell ein Vertriebschef am Telefon. Doch die Auskünfte verhießen nichts Gutes – circa 2.500 bis 3.000 Euro für das Einrichten eines Heimladeplatzes in der Tiefgarage. Herr K. war ernüchtert und beschloss, nun doch den Kontakt zu kleineren Elektrobetrieben zu suchen. Neben den Kosten hatte Herr K. noch eine Reihe anderer Fragen wie zum Beispiel: Geht Schnellladen auch zu Hause? Was bedeutet das (Schnell-)Laden eines Elektroautos in der Tiefgarage für die Stromversorgung der übrigen Hausbewohner? Wie steht es um zusätzliche Brandschutzmaßnahmen? Und, und, und. Doch leider fand sich kein Elektriker, der diese Fragen beantworten konnte oder wollte.
Auf der Eigentümerversammlung entfachte der Tagesordnungspunkt von Herrn K. eine kurze, und doch intensive Diskussion. Vor allem ältere Mitbewohner stellten die Ernsthaftigkeit des Themas Elektromobilität grundsätzlich in Frage. Einer bezweifelte sogar lauthals, dass sich deutsche Hersteller ernsthaft mit dem Thema Elektroauto auseinandersetzen. Ein anderer verwies auf eine Studie, die sowohl den technischen als auch den ökologischen Sinn von Elektroautos vehement in Frage stellen würde. Auch die Sorge um die Sicherheit des Fahrzeugladens wurde ins Feld geführt, um das Schaffen einer Lademöglichkeit in der Tiefgarage zu verhindern. Jüngere Miteigentümer zeigten sich dagegen sehr aufgeschlossen und interessiert für das Thema. Einer davon bekannte sogar, ebenfalls mit dem Gedanken zu spielen, sich ein Elektroauto anzuschaffen.
Letzten Endes war es wohl ein Sieg von »Jung« gegen »Alt« – mit knapper Mehrheit bekam Herr K. die Genehmigung der Miteigentümer, seinen eigenen Tiefgaragenstellplatz zu »verstromen«. Gleichwohl mit diversen Auflagen, unter anderem was die Auswahl des durchführenden Handwerkers und die Sicherheitsvorkehrungen beim Laden betrifft. Das Thema Gesamtkonzept fand kein Interesse, nicht zuletzt aus Kostengründen.
Nach der Eigentümerversammlung machte sich Herr K. wieder auf die Suche nach einem Elektriker. Bei Veranstaltungen sprach Herr K. Vertreter der örtlichen Industrie- und Handwerkskammer und des Landesinnungsverbandes für das Bayerische Elektrohandwerk an und bat um einen Tipp. Im Ergebnis landete Herr K. bei dem eMobilitäts-Sonderbeauftragten des Landesinnungsverbands für das Bayerische Elektrohandwerk. Umgehend nahm Herr K. Kontakt zu ihm auf; und schon bald gab es einen gemeinsamen vor Ort-Termin. Herr K. bekam seine Fragen umfänglich beantwortet und gemeinsam mit einem Start-up-Unternehmen, das unter anderem einfache Heimladestationen anbietet, wird sein Wunsch nach einer Heimlademöglichkeit nun Wirklichkeit. Wenn es jedem anderen Interessenten mit vergleichbarer Wohnsituation so ergeht, wie Herrn K., kann das mit dem Massenmarkt Elektromobilität wohl noch eine Weile dauern.
Dr. Achim Korten
Wirtschaftsprüfer
NEUE MOBILITÄT 09 // Oktober 2012 // Seite 50-51
zurück zur Übersicht

Nach oben