Innovation kann jeder – Das eAuto aus der Bäckerei
Oktober 2017 / Artikel erschienen im Strategie Journal 03/17
Ein Beitrag von Susanne Weiß, BEM-Landesvertreterin Hessen
Ein Bäckermeister gibt den Anstoß zur Entwicklung eines Elektrotransporters. Ein Professor für Industrieprozesse baut ein eAuto – einfach mal so. Ein Tüftler aus Kalifornien rollt die gesamte Autoindustrie auf. Zukunftstechnologien wie die eMobilität bieten heute auch kleinen Unternehmen und Seiteneinsteigern neue Chancen. An solchen Beispielen zeigen sich der Wert und die Chancen der von Prof. Wolfgang Mewes entwickelten, engpasskonzentrierten Strategie. Denn »verrückte« Ideen hat jeder von uns gelegentlich. Mit der Mewes Strategie lassen sich daraus zukunftsfähige und erfolgreiche Wachstumsprojekte schmieden.
Das Elektroauto kommt, daran besteht kein Zweifel. Nach Jahren der Stagnation steigen die Zulassungszahlen. 2008 verzeichnete das Kraftfahrtbundesamt ganze 36 Neuzulassungen, 2013 waren es knapp 3.000, und heute liegt der Schnitt bei 12.000 eFahrzeugen pro Jahr. Im Vergleich zu den Gesamtzulassungen von 3,35 Mio. Fahrzeugen in 2016 ist das noch sehr wenig. Doch immerhin käme laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Demoskopie Allensbach für 30% (24% 2016) der Befragten der Kauf eines Elektroautos in Frage (s. faz.net vom 17.8.2017). Eines der größtenKaufhindernisse ist bisher jedoch der Preis: Wer heute in Deutschlandel ektrisch fahren will, muss trotz Kaufprämie immer noch tief in die Tasche greifen.
Konzentration auf den Kern: der e.GO
Muss eMobilität so teuer sein? Es gibt Menschen in Deutschland, die das nicht einsehen wollen. Günther Schuh zum Beispiel, Professor für industrielle Prozesse an der RWTH Aachen. Mit Studenten und Partnern aus der Industrie entwickelte er als Spin-off der Hochschule und kleines Start-up ein Auto für jedermann – ein praktisches City-Mobil -, den e.GO Life.
Laut aktueller Umfrage läme für 30% der Befragten der Kauf eines Elektroautos in Frage
Über meine Arbeit im Bundesverband eMobilität (BEM) wurde ich schon früh auf das Projekt aufmerksam und habe seither seinen Fortschritt kontinuierlich verfolgt. Wo sich die etablierte Industrie acht Jahre Zeit lässt, um eine Idee vom Grafikcomputer auf die Straße zu bringen, brauchte Professor Schuh nur zwei. Sein Geheimnis: Als Fachmann für Prozessabläufe ging er ohne jeden »Autobauer-Ballast« an sein Vorhaben, suchte für jedes Problem einfach immer den effizientesten Weg und den richtigen Partner. Ab 2018 wird
der e.GO über unsere Straßen rollen – mehr als 1.200 Stück sind bereits verkauft. 11.900 Euro kostet der Elektroflitzer inkl. eAuto-Prämie (etwas mehr mit einer extragroßen Batterie), damit in der Grundversion rund 10.000 Euro weniger als etwa der eUp von VW.
Einfach das, was gebraucht wird: das BV1
Dass Roland Schüren eines Tages regelmäßig mit dem Tesla-Erfinder Elon Musk in einem Atemzug genannt würde, hätte er sich sicher nie träumen lassen. Denn er ist Bäckermeister. Ab 2010 stellte er sein Unternehmen in Hilden bei Düsseldorf auf CO2-neutrale Energieversorgung um. Für die Auslieferung ließ er seine Transporter mit viel Aufwand einzeln auf Elektroantrieb umrüsten und betreibt sie mit selbst erzeugtem Solarstrom. Das sprach sich herum in Handwerkskreisen. Vor allem, seit die Diskussion um Feinstaub und Fahrverbote viele Betriebe nach alternativen Lösungen umschauen lässt.
Gemeinsam mit Kollegen gründete Roland Schüren eine »Selbsthilfegruppe«, und sie erreichten ihr Ziel: Die Deutsche Post-DHL-Tochter StreetScooter hat speziell für Handwerksbetriebe einen alltagstauglichen, elektrisch betriebenen Kleintransporter entwickelt, das »Bakery Vehicle 1«, kurz BV1. Ab dem kommenden Jahr wird man ihn auf den Straßen sehen – vielleicht häufiger als einen Tesla: 200 Firmen und Behörden haben bereits Interesse an dem neuen eTransporter angemeldet.
Auch der StreetScooter hatte übrigens vor Verkauf an die Deutsche Post seinen Ursprung als Spin-off der RWTH Aachen, mitgegründet von Professor Schuh. Und eine größere Ausgabe des StreetScooter wird es Ende 2017 auch noch geben, auf Basis des Ford Transit, unterlegt mit einer jüngst vereinbarten Kooperation zwischen Post und Ford- Werke.
»Out of the box« – hinein in den Engpass?
Elektromobilität steckt heute immer noch in den Kinderschuhen – fast absurd, wenn man bedenkt, dass (lt. Wikipedia) der Elektroantrieb in der Frühzeit der Automobilisierung schon einmal ansehnliche Erfolge feierte: Um 1900 waren in den USA 40% der Autos dampfbetrieben, 38% elektrisch und nur 22% fuhren mit Benzin. Zur gleichen Zeit wetteiferten 29 Hersteller um die Gunst der noch wenigen Kunden, und der Lohner-Porsche Modell Mixte bot auch bereits den ersten Hybridantrieb.
Die heutige Ausgangslage ist jedoch auch eine große Chance: Hier können Ideen Erfolg haben, die von außerhalb der etablierten Herstellerbranche kommen. Doch es reicht nicht, »out of the box« zu denken. Zu oft habe ich es in meiner Praxis der Strategieberatung erlebt, dass Kunden an – durchaus vielversprechenden – Ideen gleichsam hängenblieben und sich wunderten, weshalb es danach nicht so recht weiterging oder sie sogar gescheitert sind.
200 Firmen und Behörden haben bereits Interesse an dem neuen eTransporter BV1 angemeldet
Es ist die klassische Engpass-Situation: Zu jeder Idee gehört eine umsetzungsorientierte Strategie, welche »die Kraft auf die Straße bringt«. Denn zu leicht kann man sich verzetteln. An diesem Punkt setzt die engpasskonzentrierte Strategie von Prof. Mewes an. Wirkung und Wert dieses Strategiekonzepts zeigen sich in der Umwandlung ungewöhnlicher, ja verrückt erscheinender Ideen in praktische Ergebnisse – exemplarisch in den Projekten von Günther Schuh und Roland Schüren.
Eine Strategie, die aus Ideen Erfolge macht
Im Mittelpunkt der Mewes-Strategie steht die Konzentration auf die eigenen Kräfte und Möglichkeiten. Besonders deutlich zeigt sich das im Vorgehen von Prof. Schuh: Sein Vorteil von Anfang an war, dass er Prozessoptimierung lehrt statt Automobilbau.
So fühlte er sich niemals dem verpflichtet, was heute bei Autoherstellern als üblich und unumstößlich gilt. Vielmehr griff er ganz unvoreingenommen auf ungewohnte Verfahren und lange ausgemusterte Technologien zurück. Der Alu-Rahmen des e.GO Life entstammt zum Beispiel der Rahmenbauweise, die bis in die 1970er Jahre üblich war. Die Thermoplast-Außenhaut ist eine moderne Weiterentwicklung der Plaste- Hülle des DDR-Trabant.
Und was Prof. Schuh für die Produktion recht war, schien ihm für die Leistung billig: 105 Kilometer Reichweite, 105 km/h Höchstgeschwindigkeit: »… mehr braucht eine Altenpflegerin oder ein Pizzataxi auch nicht«, sagt Schuh (s. WiWo online, 2.8.2017).
Den richtigen Punkt zu finden, ist das Geheimnis
Hier zeigt sich die besondere Wirkkraft der Mewes-Strategie: Man muss nicht alle Probleme für jeden lösen. Viel wichtiger ist es, sich der eigenen Möglichkeiten bewusst zu sein. Dies hilft im nächsten Schritt bei der Auswahl, für welche Zielgruppen und Probleme man die beste Lösung bietet – wo also der Engpass eines (zukünftigen) Kunden liegt, dessen Lösung den erhofften Erfolg verspricht.
Bäcker Schüren belegt, wie zutreffend die engpasskonzentrierte Strategie in diesem Punkt arbeitet, denn seine Initiative macht einen typischen Engpass greifbar: Eine eingegrenzte Zielgruppe hat ihr größtes Problem artikuliert – und die Form der Lösung dazu. Nun wird nicht jede Gruppe ihre Probleme als Lastenheft formulieren und zielgerichtet an mögliche Problemlöser verschicken. Doch Fachforen voller Klagen über diesen oder jenen Mangel gibt es zu fast jedem vorstellbaren Thema. Lohnende Engpässe zu finden, ist also gar nicht so schwer.
Oft verstellen die eigenen Erfahrungen und Wünsche den Blick auf neue Lösungen
Sparringspartner helfen über Hürden Natürlich gelingt es nicht jedem auf Anhieb, seine eigenen Stärken, die passenden Zielgruppen und deren dringendste Bedürfnisse zu identifizieren. Oft verstellen die eigenen Erfahrungen und Wünsche den Blick auf neue Lösungen. Hier setzt die Strategieberatung nach Prof. Mewes an, wie ich sie seit rund zehn Jahren praktiziere.
Diese Beratung will Klienten nicht in eine bestimmte Richtung drängen, sondern ihnen zu neuen Blickwinkeln auf die ureigenen Möglichkeiten verhelfen, um sich flexibel im Markt zu positionieren:
• Was kannst du wirklich gut?
• Zu welchem Geschäftsfeld passen diese Fähigkeiten?
• Bei welcher Zielgruppe kannst du diese Fähigkeiten am besten einsetzen?
• Was kannst du tun, um für das Kernproblem – den Engpass – der Zielgruppe eine Lösung anzubieten?
• Und welche Kooperation ist möglicherweise sinnvoll?
An sich sind dies ganz natürliche Fragen, die sich jeder unternehmerisch Tätige gelegentlich stellt oder stellen sollte. Die Mewes-Strategie bietet ihm oder ihr dazu eine erprobte systematische Grundlage.
Die Mewes-Strategie – auch für Beraterinnen und Berater
Mit einem Hintergrund aus Automobil- und Bankbranche habe ich mich 2011 als Beraterin selbstständig gemacht und dabei stärkenorientiert spezialisiert: Ich nutze meine technischen Kenntnisse und Interessen ebenso wie meine Führungserfahrung, um Unternehmen voranzubringen und zukunftsfähig zu machen. Neben Projekten in der Elektromobilität ist auch der Zugang von Frauen zu automobiler und allgemeiner Technik mein Schwerpunkt.
Insbesondere Vertriebsschulungen gehören zu diesem Gebiet: Wie können Frauen als Kundinnen für komplexe technische Produkte angesprochen und gewonnen werden? Darüber hinaus begleite ich Unternehmerinnen bei ihrer Positionierung sowie beim Thema Wirkung & Auftreten.
Bei all dem setze ich immer wieder die Vorteile der Mewes-Strategie für meine Kundinnen und Kunden ein, häufig kombiniert mit Design Thinking, Kreativitätstechniken und Kollegialer Beratung. Ob Unternehmensentwicklung, technische Innovation oder weibliche Wünsche an eine eher »männlich« geprägte Technik – mit der Identifikation des richtigen Engpasses kommen nicht nur Elektroautos ins Rollen.
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