Ein Kommentar anlässlich des IPCC-Berichts
22.03.2023 / Kolumne / Kommentar von Christian Heep
Der kalendarische Frühling startete erneut mit einer Trockenperiode. Eine weitere Dürre wie in den letzten zwölf Jahren. Extremwetterereignisse, 81% der geschützten Lebensräume und 63% der Populationen geschützter Tiere und Pflanzen sind in einem schlechten Zustand, vier von fünf Bäumen in Deutschland sind krank, Artensterben, Hitzewellen, Überflutungen, Gesundheitsrisiken und die Liste geht weiter. Aktuell stehen wir bei +1,1 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Der Abschlussbericht des Weltklimarats IPCC, der sich als dringende Handlungsempfehlung an die Politik wendet, geht von einer Temperaturerhöhung bis zum Ende des Jahrhunderts von 2,8 Grad aus. Da es auf jedes Zehntelgrad ankommt, so der Bericht, erhöht das sich rasant schliessende Zeitfenster den Handlungsdruck enorm. Diese zu 100% akzeptierten wissenschaftlichen Grundlagen und Erkenntnisse müssen nun endlich so schnell wie möglich in konsequentes Regierungshandeln überführt werden. Der Bericht fordert hier drastische Maßnahmen von Politik und Gesellschaft. Der Weltklimarat warnt vor multiplen Katastrophen und gibt düstere Prognosen ab. Trotzdem dürfen wir nicht die Hoffnung verlieren.
Was schwer fällt angesichts der Ignoranz politischen Handelns: Wissings Veto zum Pkw-Neuzulassungsverbot erschüttert in Europa fossilfreie Ambitionen, Wasserstoff und eFuels fungieren als Steigbügelhalter einer Verbrennertechnologie, die ungeeignet ist, den Zustand unserer Systeme nachhaltig zu verbessern und das IFO-Institut prognostiziert eine Deindustrialisierung nie dagewesenen Ausmaßes als ob sie von gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen überhaupt keine Ahnung hätten und vergessen vollständig zu erwähnen, dass, wenn wir international nicht wettbewerbsfähige Produkte weiter produzieren, wir mehr oder weniger alle Arbeitsplätze gefährden, bzw. verlieren werden. Man denkt dabei unweigerlich an die letzten Rettungsversuche der Kutschenwirtschaft, an Nokia oder ein Revival des Röhrenfernsehers. That’s part of our world. Weil das alles noch nicht frustrierend genug ist, blüht uns auch noch eine strahlende Zukunft im neu beschworenen Atomzeitalter, wenn es nach dem Willen gar nicht so weniger Politiker geht, Dörfer werden wegen der Kohleförderung weiter weggebaggert und die Energiewende wird nicht ansatzweise so vorangetrieben, wie es notwendig wäre. Bleibt zu hoffen, dass die nächsten Schritte nicht erst auf der nächsten Klimakonferenz in Dubai angegangen werden, die erst Ende diesen Jahres stattfinden wird.
Aber es gibt Lösungen und einen Handlungsspielraum. Noch haben wir es selbst in der Hand: Windgipfel, Solarboom, Wärmewende, Emissionshandel, Klimagerechtigkeit. Deutschland und Brüssel arbeiten an Naturschutzgesetzen, die ein Fünftel der Land- und Meeresfläche der EU schützen und wiederherstellen sollen, eine Biodiversitätskonferenz mit einem Gesetzesvorhaben zur Wiederherstellung der Natur, ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz soll ins deutsche Kabinett kommen und der batterieelektrischen Neuen Mobilität wird großes Potenzial zugesprochen, um die Emissionen zu senken.
Gute Absichten, aber auch erstmal nur wieder viele Worte und niedergeschriebene Absichtserklärungen, die sich endlich an der Realität tatsächlicher Umsetzbarkeit messen lassen müssen. Mehr denn je setzen wir uns für einen systemischen Transformationsprozess ein; erst kürzlich mit einem offenen Brief zum Thema Nutzfahrzeugförderung oder in dieser Woche mit einer Sonderkomission in Vorbereitung eines Verbändeanhörungsverfahrens zum Thema LEV / Mikromobilität. Wir müssen endlich die Weichen in Richtung Zukunft stellen, um Planungs- und Finanzierungssicherheit bei unseren Unternehmen verlässlich herzustellen und eine prosperierende Green Economy mit den damit verbundenen Prozessen weiter zu beschleunigen. Wann, wenn nicht jetzt. Es ist schon bald mehrere Grad nach zwölf.
Die Produkte, Projekte und Lösungsansätze unserer Mitgliedsunternehmen im Bundesverband eMobilität können uns hier tatsächlich optimistisch stimmen, denn sie zeigen auf, dass unglaublich viel Potential bereits auf den Weg gebracht worden ist und die Technologie bereitsteht. Es fehlt jetzt nur noch der politische Tatendrang mit der entsprechenden Lenkungswirkung, um als Green Economy weltweit die Herausforderungen anzunehmen und in reale Chancen für die Verbesserung unserer Lebensgrundlage zu verwandeln. Möge die Macht mit uns sein..
⇢WDR: IPCC-Bericht: Wie wir den Klimawandel noch bremsen können