Logisitkaufgabe Elektromobilität
Elektromobilität muss keine zusätzliche Belastung für das Stromnetz sein. Entsprechende Maßnahmen vorausgesetzt, können Elektrofahrzeuge sogar zu einer erheblichen Entlastung der Netze und besserer Nutzung von Sonne und Wind beitragen und so ressourcenneutral betrieben werden.
Lastspitzen aus der eMobilität, volatile Erzeugungsspitzen aus Erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind sowie ein zunehmendes Interesse an der dezentralen Energieerzeugung und -versorgung führen zu erhöhtem kurzfristigen Regelenergiebedarf im Stromnetz und dadurch zu neuartigen Anforderungen an Stromnetzbetreiber und Infrastruktur.
Ernsthafte Meinungen von Fachleuten sehen eine systembedingte Grenze der Einspeisung von fluktuierenden Erneuerbaren Energien bei etwa 20 % des gesamten Produktionsvolumens – ein Wert der zumindest in Deutschland schon heute beinahe erreicht wird.
Flexible Energielogistiksysteme und deren Netzintegration auf System- wie auch Softwareebene sind eine wesentliche Voraussetzung zur störungsfreien Integration von erneuerbaren Energiequellen und Elektromobilitätssystemen in die Stromnetze. Die Bereitstellung von Energielogistik, IT und Akkumulatorsystemen für stationäre Ausgleichs- und Regelenergie wie auch als robuste Energieversorgung für mobile Anwendungen wird somit zur Schlüsseltechnologie im Energiewandel.
Anforderungen an das UCTE Stromnetz
Das europäische Verbundnetz ist mit einer Schwankungsbreite von 49.8 bis 50.2 Hertz (Wechselstrom) eines der stabilsten und ausfallsichersten Netze weltweit.
Der europaweit zunehmende Ausbau dezentraler Erneuerbarer Energien führt jedoch zu erhöhtem Umfang schwer planbarer, schwankender Produktionsmengen und damit zu geänderten Anforderungen an das bislang sehr zuverlässige Netz. Seit 2008 wurde europaweit jährlich mehr Kraftwerksleistung aus Erneuerbaren Energien installiert als aus allen anderen Energieformen zusammen. Der größte Anteil entfällt hierbei auf die Bereiche Wind und Photovoltaik, deren Produktion deutlich stärker schwankt und deutlich schlechter regelbar ist als kalorische Kraftwerke und Wasserkraftwerke, inklusive der besonders gut regelbaren, aber außerhalb des Alpenraumes nur begrenzt verfügbaren Staukraftwerke.
Kosten des Schwankungsausgleiches
Erzeugungsmenge und Verbrauchsmenge im Stromnetz müssen aufgrund der bislang kaum vorhandenen Speichermöglichkeiten stets in etwa identisch sein, was erheblichen Regelungsbedarf verursacht. Dieser wird im Bereich der Minutenreserven, durch Sekundärregelleistung und Regelenergie in viertelstündlich fahrplangerechter Einspeisung abgedeckt. Die erheblichen Preisschwankungen bis zu 40 ct pro kWh für Ausgleichsenergie im Merit-Order System, zum Teil auch deutlich ins Minus, stellen ein plakatives Abbild dieser Anforderungen dar.
Beispielsweise sind in Deutschland bei einer maximalen Netzlast von 80 Gigawatt inzwischen bereits Peak-Leistungen von Photovoltaik und Wind in der Größenordnung von 44 Gigawatt installiert, also mehr als die minimale Netzlast von 40 Gigawatt, und müssen über den Netzlastausgleich abgefedert werden. Ein Abfedern von Lastschwankungen und Erzeugungsspitzen läßt sich üblicherweise nur im Bereich der kalorischen Kraftwerke (Gas, Öl, Kohle, Atom) durchführen, deren Produktion sich ausreichend schnell an den Bedarf anpassen lässt.
Wie im Verbrennungsmotor auch, muss dieser Regelungsvorgang aber mit deutlichen Abstrichen im Wirkungsgrad bezahlt werden. Eine Differenz von 3% im Wirkungsgrad der installierten Kraftwerksleistung entspricht aber bereits dem Gesamt-Energiebedarf einer Elektrofahrzeugflotte in der Größenordnung der Hälfte des europäischen Gesamtbestandes an Pkw.
Gleichzeitigkeitsfaktoren der Elektromobilität
Herkömmliche Ladestrategien gehen von einer kabelgebundenen Ladung aus, welche gegebenenfalls als Schnell-Ladevorgang mit dem Eintreffen und Anstecken des Fahrzeuges gestartet werden. Sowohl aus dem Pendlerverkehr als auch aus betrieblichen Anwendungen entstehen somit starke Spitzenbelastungen des Stromnetzes, welche nur durch zeitliche Entkopplung von Lade- und Fahrbetrieb (Timeshift) abgefedert werden könnten. Dies ist derzeit jedoch noch nicht der Fall.
Fraglich bleibt, warum beispielsweise der Ladevorgang aller Pendlerfahrzeuge um ca. 18.00 Uhr mit Heimkehr der Fahrzeuge starten muß, obwohl bis zum nächsten Morgen mehr als genug Zeit zur Verfügung steht?
Zeitlich versetztes Laden der Fahrzeuge würde die entstehende Lastspitze abfedern und in einen Zeitraum besserer Verfügbarkeit verlagern.
Überregionaler Timeshift von Ladevorgängen
Die zeitliche Verlagerung von Ladevorgängen je nach Verfügbarkeit insbesondere Erneuerbarer Energien im Stromnetz kann den Anteil umweltschonender Ladevorgänge erhöhen und gleichzeitig Lastspitzen aus dem Netz nehmen. Im Optimalfall werden viele Ladevorgänge unter Berücksichtigung der Nutzerwünsche zeitlich so gestaffelt, dass sie mit der Überschussproduktion der erneuerbaren Energiequellen abgewickelt werden können.
Damit würde ein doppelt nutzbringender Effekt der Elektromobilität eintreten: Einerseits werden Lastspitzen vermieden, und andererseits die Erzeugungsspitzen abgefedert, sodass der Regelungsbedarf des Stromnetzes insgesamt sinkt und das Netz gleichzeitig größere Mengen fluktuierender Erneuerbarer Energien aufnehmen und den Wirkungsgrad im kalorischen Bereich verbessern könnte.
Logistikaufgabe Elektromobilität
Um den Timeshift, also die zeitliche Staffelung der Ladevorgänge zu ermöglichen, sind Maßnahmen im Bereich der IT und Stromlogistik erforderlich. Ihre Kosten stehen aber in einem sehr günstigen Verhältnis zum lukrierbaren ökologischen und ökonomischen Nutzen. Der »Königsweg« zur Trennung von Lade- und Fahrzyklus ist mit Sicherheit die Nutzung von recycling-fähigen Batterie-Wechselsystemen. Derartige Systeme können zum optimalen Zeitpunkt stationär geladen werden, wobei als zusätzlicher kostendämpfender Faktor auch die optimale Ladekurve der eingesetzten Zellen eingehalten werden kann, was gegenüber Schnell-Ladesystemen eine Erhöhung der Batterie-Lebenszeit um den Faktor drei möglich macht.
Wechselsysteme, wie das vom Forschungskonsortium »enerChange« im Oktober 2012 auf der eCarTec in München vorgestellte, flexibel an jeden Fahrzeugtypus anpassbare System, ermöglichen nebenbei erhebliche Kosteneinsparungen in der Produktion, stark verbesserte Möglichkeiten der Nachnutzung und des Recyclings und erheblich erleichterte Servicevorgänge. Vor allem aber nähert sich die Nutzbarkeit des Fahrzeuges dem Verbrennungsmotor sehr stark an, da die Wechselzeiten von ca. zwei Minuten auf längeren Fahrtstrecken kaum ins Gewicht fallen und somit das Reichweitenproblem technisch so gut wie gelöst ist.
Vernetzung als Basis der Netzentlastung
Doch auch bei kabelbasierenden Ladestrategien lassen sich deutliche Optimierungen in der Stromnetzintegration erzielen. Erforderlich dazu sind einerseits intelligente Ladesysteme, welche mit dem Nutzer interagieren, um den optimalen Zeitpunkt des Ladens entsprechend seinen Mobilitätsbedürfnissen abzustimmen.
Andererseits ist die überregionale Vernetzung der diversen Anbieter von Ladeinfrastruktur untereinander sowie mit den Energieversorgern erforderlich. Dadurch können überregionale Ausgleichsrechnungen durchgeführt werden, um die optimale Verteilung vieler Ladevorgänge zur bestmöglichen Nutzung der verfügbaren Energie zu ermöglichen.
Wie in Österreich derzeit projektiert, ist es dazu auch erforderlich, die bestehenden Netze miteinander zu verknüpfen. Das ermöglicht ganz nebenbei auch einen verbesserten überregionalen Service für die Kunden – vom so genannten Roaming der Abrechnungssysteme bis hin zu verbesserten Möglichkeiten der Navigationssysteme.
Otto Handle
enerChange GmbH
www.enerChange.net
NEUE MOBILITÄT 10 // Januar 2013 // Seite 26-27
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