Moderne Anwendungsfälle für moderne IKT
Forschungsprojekt O(SC)2ar entwickelt eine vielseitige Infrastruktur für eFahrzeuge
Das Elektrofahrzeug der Zukunft interagiert aktiv mit seiner Umwelt. Dies wird zum einen durch Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) unterstützt, also beispielsweise durch Benutzerschnittstellen mit dem Fahrer, zum anderen aber auch erst durch IKT ermöglicht, wenn man zum Beispiel die Kommunikation mit Servicetechnikern über internet-basierte Dienste betrachtet. Daraus ergeben sich völlig neue Anforderungen und Schnittstellen aus fahrzeugtechnischer und anwendungsspezifischer Sicht, die ein von Grund auf neues Konzept für den Einsatz von IKT in Elektrofahrzeugen erfordert.
Benutzer von Elektrofahrzeugen werden in Zukunft eine ähnliche Servicedichte wie in anderen Bereichen erwarten und die IKT in Fahrzeugen mit der ihrer Smartphones oder Home Entertainment-Lösungen vergleichen. Der Individualisierung des eigenen Produkterlebnisses wird dabei ein hoher Stellenwert beigemessen und erfordert die Möglichkeit, Funktionen und Dienste des Elektrofahrzeugs an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können.
Hieraus ergibt sich nicht nur eine Anforderung an die entstehende Branche der Elektromobilität, sondern auch eine ihrer größten Chancen. Die speziellen Begebenheiten von Elektrofahrzeugen erfordern eine hohe informationstechnische Unterstützung, wodurch sie auch zwangsläufig viele Informationen und Informationsdienste zur Verfügung stellen.
Anwendungsfälle im Forschungsprojekt O(SC)2ar
Das Forschungsprojekt O(SC)2ar setzt sich in diesem Kontext zum Ziel, eine gleichzeitig modulare, skalierbare und offene, aber auch robuste und sichere IKT-Architektur inklusive deren Infrastruktur und Anbindung an eine Service-Cloud zu entwerfen. Zu diesem Zweck wird eine Plattform entwickelt, auf der sowohl zentrale Fahrzeug- als auch zahlreiche innovative Mehrwertfunktionen durch lokale Softwareanteile und angebundene externe Services realisiert bzw. umgesetzt werden können. Eine Integration neuer Funktionalitäten nach Auslieferung des Fahrzeugs wird hierbei explizit berücksichtigt.
Die Anforderungen der Infrastruktur und Plattform sollen sich dabei direkt und erkennbar aus der Praxis ableiten. Zu diesem Zweck werden Anwendungsfälle für moderne IKT in Elektrofahrzeugen entwickelt, die handelnde Akteure und Systeme sowie von der technischen Umsetzung abstrahierte Szenarien beschreiben. Die erforderliche thematische Breite ist über den Einsatz von Methoden der Open Innovation und die Durchführung von Workshops mit etablierten Vertretern verschiedener Anwendungsbranchen gegeben.
Erster Anwendungsfall: CarSharing
CarSharing ist ein modernes Mobilitätskonzept, das sich vor allem in letzter Zeit steigender Beliebtheit erfreut. Neben Angeboten von Automobilkonzernen, die sich so neue Vertriebs- und Nutzungswege ihrer Produkte erschließen wollen, sind auch viele Dienstleister auf dem Markt vertreten, die CarSharing-Flotten betreiben oder privates CarSharing ermöglichen.
Das Nutzungsverhalten von CarSharing-Fahrzeugen ist laut Brancheninformationen durchaus mit den Limitierungen der Elektromobilität kompatibel, da ca. 70% der Fahrten unter 4h dauern und kürzer als 25km sind. Solche Fahrten treten in der Regel zwei Mal pro Tag auf, was mit der Akkukapazität aktueller Fahrzeuge harmoniert. Nichtsdestotrotz stehen dem Weg der Integration von Elektrofahrzeugen in CarSharing-Flotten weiterhin bestimmte Hindernisse entgegen. Um eine maximale Verfügbarkeit und Auslastung zu erreichen, sollten die Fahrzeuge im unbenutzten Zustand möglichst mit der Ladesäule verbunden sein. Dies stellt in Abhängigkeit von den Wetterbedingungen zusätzliche Unannehmlichkeiten für die Benutzer dar und kann den Ausleihprozess komplizierter und damit weniger zugänglich gestalten.
Die in Elektrofahrzeugen immanente IKT birgt jedoch auch Potenziale für CarSharing-Nutzer. Aus Kundensicht stellt die Personalisierung der verschiedenen Fahrzeugsysteme einen naheliegenden Mehrwert dar. Das Fahrzeug kann an das hinterlegte Profil des Fahrers angepasst werden, so dass beispielsweise die Einstellungen der Klimaanlage und Sitzposition, letzte Ziele des Navigationssystems oder präferierte Radiostationen zum Fahrtantritt voreingestellt werden. Weiterhin können Fahrzeugrück- oder Schadensmeldungen über moderne IKT einfach und schnell abgewickelt werden. Mittels geeigneter IKT-Lösungen können auch völlig neue Anwendungsbereiche erschlossen werden. Einerseits kann der multimodale Personenverkehr unterstützt werden, indem der Fahrer direkt über aktuelle Fahrpläne des Öffentlichen Nahverkehrs informiert wird. Zum anderen bietet sich dem CarSharing-Anbieter die Möglichkeit, direkt mit dem Kunden zu kommunizieren und ihn so über aktuelle Angebote etc. zu informieren.
Zweiter Anwendungsfall: Flottenbetrieb
Nicht nur Logistikunternehmen, sondern vor allem auch Anbieter von Serviceleistungen unterhalten in der Regel eine große Fahrzeugflotte. Um eine hohe Qualität des eigenen Kundenservices sicherzustellen, muss die Mobilität der eigenen Mitarbeiter stets gewährleistet sein. Da viele Dienstleister regional fokussiert sind, bieten Elektrofahrzeuge hier eine gangbare Alternative zu herkömmlichen Verkehrsmitteln. Die Verwaltung einer solchen Flotte ist an rechtliche Rahmenbedingungen gekoppelt, die beispielsweise Servicemitarbeiter bzw. Betreiber dazu verpflichten, ein Fahrtenbuch zu führen und nachzuhalten. Da dies in der Regel von Hand erfolgt, könnte die IKT in Elektrofahrzeugen durch automatische Aufzeichnung der Fahrten einen Vorteil bieten. Völlig neue Anwendungen ergeben sich durch Echtzeitinformationen über den aktuellen Status der Serviceflotte, die u.a. Rückschlüsse auf den aktuellen Status der Serviceaufträge erlauben.
Zusammenfassung und Ausblick
Die IKT für Elektrofahrzeuge birgt nicht nur Potenziale für diese junge Branche, sondern kann auch als Chance für völlig neue Dienstleistungen verstanden werden. In einer zunehmend vernetzten Welt sollte auch des Deutschen liebstes Kind mit der Zeit gehen und einen Mehrwert über die reine Mobilität hinaus schaffen. Dafür bietet die IKT vor allem in Elektrofahrzeugen einen direkten Zugangspunkt zu einem neuen Markt, dessen Grundstein durch das Forschungsvorhaben O(SC)2ar gelegt wird.
O(SC)2ar wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Dipl.-Inform. Julian Krenge, MBA
Dipl.-Phys. Christian Maasem
FIR e.V. an der RWTH Aachen
www.fir.rwth-aachen.de