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Was heute noch kaum jemand weiß: Die Renaissance der Elektroautos in den 1970er Jahren ist eng mit RWE verbunden. Mit seiner Tochter GES war der Energieversorger zwischen 1970 und 1985 federführend bei der Entwicklung und Erprobung von Elektrostraßenfahrzeugen. Bereits Mitte der 1960er Jahre stellte RWE erste Überlegungen zum Thema Elektromobilität an. Die Fortschritte bei Motoren und Leistungselektronik ließen alltagstaugliche Elektroautos in nicht allzu ferner Zukunft möglich erscheinen. Ein interessanter Absatzmarkt für den Stromversorger, aber die Autohersteller zeigten wenig Interesse. RWE übernahm daher die Initiative und schob in Kooperation mit Unternehmen der Elektrotechnik und Automobilindustrie erste Projekte an. Ab 1971 trieb die eigens gegründete »Gesellschaft für elektrischen Straßenverkehr« (GES) das Thema Elektromobilität bei RWE kräftig voran. In den ersten Jahren konzentrierte sich das junge Unternehmen auf die Entwicklung und Erprobung von Transportern und Bussen. Hier war das Gewicht und die geringe Reichweite der Speicherbatterien nicht so hinderlich.
Die ersten Erfolge konnte die GES 1974 vermelden: In Mönchengladbach nahm die erste batteriegetriebene Elektrobuslinie der Welt den Fahrplanbetrieb auf und bei RWE gingen 50 Elektrotransporter (20 VW Transporter und Mercedes-Benz LE 306) in die Erprobung.
Typisch für die Arbeitsweise der GES war der Ablauf des Transporter-Programms. Das Unternehmen entwickelte mit der Industrie eine Kleinserie von Elektrotransportern und erprobte sie im Alltagseinsatz der RWE-Betriebsstellen. Erst als man die dort aufgetretenen Kinderkrankheiten im Griff hatte, wurde eine überarbeitete Fahrzeuggeneration anderen Elektrizitätsversorgern zur Erprobung angeboten. In der Spitze rollten so 140 von der GES betreute Transporter bei rund 45 Partnern.
Als sich die GES 1982 an die Entwicklung des ersten alltagstauglichen Elektro-PKW in Deutschland heranwagte, ging man nach dem gleichen Muster vor. Vier Prototypen und die 24 Exemplare der Vorserie des CitySTROMer auf Basis des VW Golf I wurden im Alltagseinsatz erprobt. Die darauf folgende Kleinserie von 50 CitySTROMern aus dem Jahr 1985, nun auf Basis des VW Golf II, wurde auch an interessierte Unternehmen wie Heag, Bewag und Badenwerk zur Erprobung abgegeben.
Parallel dazu verfolgte die Muttergesellschaft RWE einen weiteren Weg: Sie unterstütze die Entwicklung eines rund um den Elektroantrieb neu konstruierten Autos. Der Pöhlmann EL wurde 1982 auf der RWE-Hauptversammlung vorgestellt und stieß auf riesiges Interesse. Nicht jedoch bei der Fahrzeugindustrie, die nach dem Willen von RWE das Modell für eine Serienproduktion übernehmen sollte.
Anfang der 1980er Jahre begann RWE mit dem schrittweisen Rückzug aus der Entwicklung und Erprobung von Elektroautos. Die grundlegenden technischen Fragen – abgesehen von der unbefriedigenden Kapazität der Speicherbatterien – seien geklärt, die Weiterentwicklung der Elektroautos daher nun Sache der Hersteller, so das Unternehmen. 1985 löste RWE die GES auf, bot deren Know How den Entwicklungspartnern an und übertrug die deutlich verringerten Elektroauto Aktivitäten auf eine Arbeitsgruppe im Unternehmen.
Die Bilanz der GES kann sich sehen lassen: Die von ihr (mit-)entwickelten und betreuten Elektrofahrzeuge legten insgesamt 15 Millionen Kilometer zurück, zeitweilig waren rund 200 Elektrofahrzeuge im Einsatz. Das waren 1990 immer noch mehr als drei Viertel der bis dahin erreichten Erprobungsleistung in Deutschland. Besonders deutlich wurde die Vorrangstellung von RWE/GES beim ersten internationalen Elektroauto-Grand Prix 1986: Auf den ersten acht Plätzen landeten sieben von RWE bzw. GES entwickelte Fahrzeuge.
Hans-Georg Thomas
RWE AG
Historisches Konzernarchiv
www.rwe-mobility.com