Shanghai im Fokus
Chancen und Grenzen der Elektromobilität in Megacities
Mit mehr als 24 Millionen Einwohnern gehört Shanghai zu den bedeutendsten und finanzstärksten Industriestädten Chinas. Neuen Entwicklungen und Trends steht man hier sehr aufgeschlossen gegenüber. Shanghai kann als optimale Mega-City für eMobilität bezeichnet werden.
Während der Automechanika Shanghai im Dezember 2012 führten BEM-Vorstand Christian Heep, Dr. Jan Fritz Rettberg von der TU Dortmund und Andreas Serra, Geschäftsführer der promotor GmbH, intensive und positive Gespräche mit chinesischen Unternehmen, Regierungsvertretern und Universitäten, die sich mit Elektromobilität befassen. Eine der Kernfragen war: Welche Gründe führen dazu, dass Megacities wie Shanghai nicht kurzfristig und erfolgreich Elektroautos in großen Stückzahlen in die Zulassung bringen?
Auf den ersten Blick spricht in einer solchen Stadt, wie in allen Millionenstädten der Welt, sehr viel dafür auf Elektromobilität »umzusteigen«. Im aktuellen Fünfjahresplan der chinesischen Regierung sind klare Vorgaben und Strategien definiert. Unter anderem technologischer Fortschritt, Investitionen in neue Technologien wie eMobilität und Umweltziele. Bei Zweirädern ist China beispielsweise mit über 100 Millionen eingesetzten Elektro-Zweirädern sicher weltweit führend. Schnellbahnverbindungen (Grundtechnologie ICE) werden massiv ausgebaut. In vielen Großstädten, so auch in Shanghai, werden eBusse schon heute eingesetzt.
Mit rund 100.000 Pkw-Zulassungen pro Jahr, alleine in Shanghai, ist der Markt gewaltig. Und dies mit Zulassungsbeschränkungen! 2011 gab es ca. 85 Autos auf 1.000 Einwohner. In Deutschland sind es im Vergleich dazu fast 550 Fahrzeuge. Ein ungeheures Potenzial und damit eine riesige Chance für eMobilität. Leider spielen reine eAutos dabei 2011 mit ca. 0,3 % eine verschwindend geringe Rolle.
Auf einer mehrere Quadratkilometer großen Fläche im Stadtteil Jiading inmitten der sogenannten Autocity von Shanghai ist Chinas zentrales Test- und Entwicklungszentrum für eMobilität entstanden: Die EV-Zone.
Ziel ist es, in Shanghai bis 2015, auf Basis einer sogenannten Roadmap, 20.000 BEV-Zulassungen zu realisieren. Unterstützt wird das Projekt mit Prämien. Die Zulassungsgebühr (aktuelle Kosten ca. 60.000 RNB) wird erlassen. Zusätzlich wurde eine Kaufprämie von ca. 90.000 RNB eingeführt. Umgerechnet insgesamt ca. 19.000 Euro pro Zulassung.
Woran liegt es also, dass so wenige Elektrofahrzeuge zugelassen werden?
In einer intensiven Diskussion mit Mitarbeitern der EV-Zone, mit eFahrzeug-Herstellern, aber auch mit Vertretern der für Automobilwissenschaft bekannten Tonji Universität haben wir die Gründe für die aktuelle Zulassungssituation analysiert. Als Trainingsagentur und Berater für die Automobilindustrie kennt promotor die unterschiedlichen Problemstellungen bei der Einführung neuer Fahrzeuge, und speziell die Vermarktungsherausforderungen bei eFahrzeugen. Insbesondere die notwendigen Verhaltensänderungen von Verkäufern und Käufern sind eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Selbst in Europa sind in jedem Land andere Hebel und Marktmechanismen zu beachten, um erfolgreich große Stückzahlen eines Fahrzeugs zu vermarkten. Die Probleme einer Megacity wie Shanghai sind nochmals anders.
4 Bereiche stellen eine besondere Herausforderung dar:
Geeignete Fahrzeugmodelle
Aktuell ist die Modellvielfalt aus chinesischer Produktion mit weniger als 10 Modellen, meist im Kleinwagensegment, noch eingeschränkt. Im Vergleich zu deutschen Premiumherstellern sind viele chinesische eFahrzeuge aus deutscher Kundensicht noch nicht wettbewerbsfähig.
Statussymbol Auto
Das Auto ist in China – besonderes ausgeprägt in Shanghai – ein Zeichen von Wohlstand und Status. Chinesen lieben deutsche Premiumfabrikate, wie sie insgesamt westliche Marken bevorzugen. Kleinwagen entsprechen nicht der Vorstellung und den Wünschen dieser Zielgruppe.
Schwächen in Marketing und Verkauf von BEV‘s
Elektroautos sind nicht bekannt, werden nicht beworben und Verkäufer sind auf die Kunden nicht vorbereitet. Der Verkaufsprozess verläuft im bekannten Raster und Kunden werden selbst bei Interesse für ein eAuto auf ein benzingetriebenes Fahrzeug »umgepolt«. Die hohen Preise und ein anderes ökologisches Verständnis als in Europa verhindern Akzeptanz und Vertriebserfolg.
Fehlende Ladeinfrastruktur an geeigneten Stellen
Hier finden wir die größten Herausforderungen. Die Einwohner von Shanghai leben in Hochhäusern mit oft hunderten von Apartments in einem einzigen Gebäude. Die Aufladung in der eigenen Garage oder auf dem eigenen Grundstück ist im Stadtkern kaum möglich. Das notwendige Stromnetz, die Auslegung, die Versorgung, die Verkabelung, Abrechnungssysteme, kurz die EV-Infrastruktur, wurde in der Bauplanung und Realisierung nicht bedacht. Selbst wenn Platz zur Verfügung stünde, würde der nachträgliche Aufbau einer Infrastruktur für bestehende Gebäude in dieser Stadt lange dauern und unrealistische Investitionen nach sich ziehen.
Hier sind neue Ideen und Ansätze notwendig, die sich von denen in Europa unterscheiden. Ein aktueller Ansatz in Shanghai ist die Berücksichtigung von eMobilität bei Neubauten. Unter dem Schlagwort EV-Ready sollen diese mit der notwendigen Infrastruktur versehen werden.
Wie könnten weitere Ansätze für Elektromobilität in Megacities wie Shanghai aussehen?
Chinesen handeln schnell und konsequent. Sie wissen, dass Öl endlich ist und China Lösungen für die Verkehrsinfrastruktur benötigt. Dennoch wird die Akzeptanz rein elektrisch betriebener Fahrzeuge aus den oben genannten Gründen Zeit benötigen. In den Stadtkernen sind PHEV‘s (Plugin Hybrid Electric Vehicle) oder REEV (Range-Extended Electric Vehicle) besser zu vermarkten. Um Kostenparität und Nutzung zu gewährleisten, müssten Mittelklassefahrzeuge mit regional üblichen Ausstattungen und Größen angeboten werden. Die Batteriekapazität könnte mit ca. 15KW/h die Bedürfnisse der Großstadt erfüllen. So könnte eine Brücke gebaut werden von den heutigen meist Benzin betriebenen Fahrzeugen zu reinen Elektrofahrzeugen. Das ist im Übrigen auch die verbreitete Meinung der Unternehmer, mit denen wir diskutiert haben. Diesen Übergang wollen wir gerne mit gestalten.
Andreas Serra
Geschäftsführer promotor GmbH und Wissenschaftlicher Beirat im BEM
www.promotor.de