Stromertreffen im Berliner Energie Zentrum
Artikel aus der Taxi Times Berlin, Ausgabe Oktober 2016
Moralische Aufrüstung und die Aussicht auf eine Ladesäule vor der Haustür gab es beim Stromer-Treffen im BEZ.
Regelmäßig finden im Berliner Energie Zentrum in der Bessemerstraße Treffen zum Thema Elektromobilität statt. Am 28. September war es wieder soweit. Der nicht eben kleine Veranstaltungsraum im BEZ war komplett gefüllt mit Elektroautofahrern, Elektroautoverkäufern, Elektromobilitätsverwaltern und Elektrikern. Das Stromer-Treffen zieht Kreise. Anfangs waren die Elektriker und ein paar Tesla-Fahrer ziemlich unter sich.
Das BEZ ist eine Präsentationsstätte für alles, was mit Strom und Wärme im Haus zu tun hat. Es wurde gemeinsam von einigen Elektroinstallationsfirmen und der Elektriker-Innung eingerichtet. Man kann sich dort umfassend und herstellerunabhängig über Heiz-, Elektrovoltaikanlagen und dergleichen informieren. Vor der Tür ist eine Reihe von Ladestationen für Elektroautos in Betrieb.
Hauptredner des Abends war kein geringerer als Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbands eMobilität. Diesen Bundesverband gibt es seit 2009. Er setzt sich dafür ein, die Mobilität in Deutschland mit dem Einsatz erneuerbarer Energien auf emissionsarme Antriebsarten umzustellen. Dazu sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Chancengleichheit bei der Umstellung auf Elektromobilität verbessert werden. Dieses Ziel will er durch die Vernetzung von Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Medien erreichen.
Sein Beitrag war ein flammendes Plädoyer für die Elektromobilität und gegen die Halbherzigkeit der deutschen Akteure. Im nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung von 2009 stünden nur Phrasen, die nicht umzusetzen seien. Von seinem Rat an den damaligen Bundesverkehrsminister Ramsauer, die Wirtschaft machen zu lassen und selbst die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, sei bis heute nichts verwirklicht. Die deutsche Autolobby täte alles, um das Thema zu bremsen. Den dieselgläubigen Autoherstellern prophezeite er das gleiche Ende wie Nokia. Das war der weltgrößte Mobiltelefonhersteller, bevor er die Entwicklung des Smartphones verschlief. Heut spielt Nokia auf diesem Gebiet praktisch keine Rolle mehr. Sigl ließ kein gutes Haar an den deutschen Akteuren der Elektromobilität aus Wirtschaft und Politik.
Als durchschlagskräftiger Lobbyist hatte er auch eine Menge Ideen auf Lager, wie man die Sache voranbringen könnte. Energiewende und Mobilitätswende müssten verheiratet werden. Alle diesbezüglichen Dinge müssten neu gedacht werden. Leute, die dies könnten, kämen nicht aus den großen etablierten Firmen. Denen müsse man vielmehr erst einen Thinktank schaffen, in dem sie die Technik von übermorgen entwickeln.
Der Bundesverband selbst macht Aktionen, die normalen Bürgern den persönlichen Nutzen von Elektromobilität näherbringen. Für Flottenbetreiber stellt er Modellrechnungen zur Verfügung, mit denen kalkuliert werden kann, ob sich der Einsatz von Elektroautos für bestimmte Zwecke nach TCO lohnt.
Dies ist nur ein grober Querschnitt durch die Fülle von Fakten und Beispielen, die Sigl mit Schwung vortrug. Mit den Worten »Geben Sie nicht Gas, geben Sie Strom!» schloss er seinen Vortrag. Bei den hier versammelten Freunden der Elektromobilität rannte er damit offene Türen ein. Sie waren begeistert.
Es folgte ein Fachvortrag für die Elektriker über neue Normen bei der Erstellung von Hausstromanlagen. Die Zählerkästen heißen jetzt Technikzentrale und müssen zumindest die Vorbereitung für allerlei Mess- und Regeltechnik enthalten. Nicht nur im Taxigewerbe werden geänderte Vorschriften für neue, digitale Techniken wirksam.
Bei Hermann Blümel, dem Berliner Senatsverantwortlichen für die Ladeinfrastruktur, wurde es noch einmal interessant. Seine reich mit Grafiken versehene Darstellung der örtlichen Verteilung der seit einem Jahr entstehenden öffentlichen Ladesäulen gab einigen Aufschluss über die Bewusstseinslage zur Elektromobilität in den Bezirken. Der Weg zu einer öffentlichen Ladesäule in Berlin geht so: Die Senatsverwaltung – also Herr Blümel – regt an, beurteilt, genehmigt und bezahlt. Die Bezirke planen und bauen. Nun gibt es in Berlin solche Bezirke, die haben inzwischen ganz schön viele Ladesäulen, und solche, die haben gar keine. Bei denen beißt Herr Blümel auf Granit. Die machen einfach nicht mit. Ein typisches Beispiel für: »Seh’n se, dit is Berlin!«
Die eigentliche Sensation für geplagte Elektromobilisten war eine andere. Die Senatsverwaltung – also Herr Blümel – bietet auf der Internetseite www.be-emobil.de ein Antragsformular an, auf dem jeder Bürger seinen Wunschstandort für eine neue öffentliche Ladesäule kundtun kann. Das ist doch mal was. Bevor jetzt die zwei Taxiunternehmer, die in Berlin Elektro-Taxis betreiben, zum Computer rennen: Der Antragsteller und sein Wunschstandort müssen gewisse Kriterien erfüllen. Gewerbliche Wünsche werden besonders kritisch beurteilt.
Große Reklame wurde nicht gemacht für diese schöne Form der Elektromobilitätsförderung. Um das zu erfahren, muss man zu solchen Insiderveranstaltungen gehen wie der im BEZ.