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Tacheles trifft Fakten / Subventionen und Kosten im Energiesektor – ein verzerrtes Bild?
Die Welt steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Die kumulierten Auswirkungen der Klimakrise, der rasante Ressourcenverbrauch, soziale Ungleichheit und globale Umweltzerstörung gefährden nicht nur unsere natürlichen Lebensgrundlagen, sondern auch die gesellschaftliche Stabilität und die geopolitische Sicherheit. Diese Faktoren destabilisieren nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft, sondern treiben auch politische Polarisierung voran.
Wir erleben eine Zeit, in der wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Fortschritte auf politische Zögerlichkeit und wirtschaftliche Beharrungskräfte treffen. Die entscheidende Frage lautet: Wie können wir es schaffen, die dringend benötigten Veränderungen konsequent und nachhaltig in unsere Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu integrieren?
Die Green Economy ist der Schlüssel zu dieser Transformation. Sie verbindet wirtschaftliches Wachstum mit Umweltverträglichkeit und sozialer Gerechtigkeit, ohne die planetaren Grenzen zu überschreiten. Doch der Übergang von fossilen, ineffizienten Strukturen hin zu nachhaltigen Wertschöpfungsketten erfordert entschlossenes Handeln auf allen Ebenen. Es reicht nicht mehr, Klimaziele zu formulieren und langfristige Strategien in Aussicht zu stellen. Vielmehr müssen jetzt Maßnahmen ergriffen werden, um die notwendigen systemischen Umwälzungen einzuleiten, bzw. weiter zu befördern.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde oft die Erzählung verbreitet, dass Marktmechanismen und technologischer Fortschritt allein die notwendigen Veränderungen herbeiführen würden. Tatsächlich hat die Politik jedoch durch massive fossile Subventionen für Öl, Kohle und Gas sowie staatliche Förderungen für die Atomenergie teils direkt, teils durch staatliche Absicherungen von Haftungsrisiken oder durch die Finanzierung von Endlagersuche und Rückbaukosten tief in das Marktgeschehen eingegriffen – mit dem Unterschied, dass diese Eingriffe nie hinterfragt wurden. Während die Förderung Erneuerbarer Energien als künstliche Marktverzerrung diskreditiert wird, galten fossile Subventionen stets als »wirtschaftlich notwendig« oder »standortsichernd«. Dieser Doppelstandard hat dazu geführt, dass klimaschädliche Technologien jahrzehntelang bevorzugt wurden, während nachhaltige Alternativen systematisch benachteiligt blieben.
Wer Subventionen wirklich kritisch sieht, müsste zuerst die Förderungen für fossile Energien beenden – bevor man die Unterstützung für die Erneuerbaren in Frage stellt. Doch genau das passiert nicht – stattdessen werden Erneuerbaren Energien gezielt ausgebremst, während die fossile Industrie weiterhin milliardenschwere Unterstützung erhält.
Dabei gibt es nur zwei sinnvolle Wege, um Erneuerbare Energien voranzubringen – vorausgesetzt, die Politik steht hinter dieser Entscheidung, was sie mit den bestehenden Förderungen für Erneuerbare ja bereits konstatiert. Entweder lässt man fossile Subventionen auslaufen und sorgt so für einen fairen Wettbewerb, oder aber man fördert Erneuerbare Energien im gleichen Maße, um einen Ausgleich zu schaffen. Die Historie zeigt, dass der Staat tatsächlich eine gravierende Lenkungswirkung entfalten kann. Wenn er jedoch gleichzeitig in beide Richtungen lenkt – fossile Energien weiter subventioniert und gleichzeitig Erneuerbare unterstützt – treten wir auf der Stelle, weil die gegenläufigen Anreize sich gegenseitig neutralisieren.
Wenn wir ernsthaft eine Green Economy auf Basis Erneuerbarer Energien wollen – und die Argumente dafür sind überwältigend – dann müssen politische und wirtschaftliche Entscheidungen konsequent in diese Richtung ausgerichtet werden. Die Transformation erfordert nicht nur finanzielle Subventionen, sondern auch klare Vorgaben, Gesetze, Genehmigungsverfahren, Planungssicherheit und regulatorische Rahmenbedingungen. Genau hier muss die politische Lenkungswirkung ansetzen: nicht durch ein inkonsequentes Sowohl-als-auch, sondern durch eine entschlossene, langfristig tragfähige und verlässliche Strategie. Nur so können die bestehenden Strukturen zugunsten eines neuen, nachhaltigen Wirtschaftsmodells transformiert werden.
Wir stehen dabei vor einer Wahl: Entweder gestalten wir die Transformation aktiv und profitieren von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteilen – oder wir verpassen die Chance und werden von den negativen Folgen überrollt. Ein »Weiter so« führt unweigerlich in eine wirtschaftliche und ökologische Sackgasse der Kategorie multiples Organversagen, während eine konsequente Wende hin zur Green Economy als Basis eines neuen, nachhaltigen Wohlstandsmodells etabliert werden kann. Doch diesem Szenario stellt sich mit grotesker Beharrlichkeit ein Narrativ entgegen: Erneuerbare Energien seien grundsätzlich teurer als fossile Energieerzeugung und könnten nur durch hohe Subventionen überhaupt am Markt existieren.
Dabei reicht eine rein betriebswirtschaftliche Betrachtung aus, um die enormen Kostenvorteile der Erneuerbaren Energien bei den Stromgestehungskosten klar zu erkennen.
- Solar- und Windkraft sind heute bereits die mit Abstand günstigsten Energiequellen. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) sind die Stromgestehungskosten von Solar- und Windenergie in den letzten Jahren drastisch gesunken. Photovoltaikanlagen erzeugen heute in vielen Regionen Strom für unter 5 Cent pro kWh – und das ohne Brennstoffkosten oder Preisrisiken durch geopolitische Konflikte. Windenergie an Land liegt mit etwa 4-6 Cent pro kWh ebenfalls deutlich unter den Kosten neuer Kohle- oder Gaskraftwerke.
- Fossile Energien sind teuer. Die Kosten für fossile Brennstoffe sind nicht nur höher, sondern auch stark von geopolitischen Unsicherheiten abhängig. Beispielsweise schwankten die Gaspreise nach dem Ukraine-Krieg teils um mehrere hundert Prozent, was die Energieversorgung massiv verteuert hat.
- Atomkraft ist wirtschaftlich ein Auslaufmodell. Neue Reaktoren erzeugen Strom für 12-16 Cent pro kWh – mehr als doppelt so teuer wie Wind- oder Solarstrom. Hinzu kommen Milliardenkosten für Bau, Rückbau und Endlagerung, die fast immer vom Staat getragen werden.
Von den positiven Effekten einer sauberen und nachhaltigen Energieerzeugung ganz zu schweigen:
- Erneuerbare Energien reduzieren Luftverschmutzung und Gesundheitskosten. Laut der WHO sterben jedes Jahr Millionen Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe. Ein vollständiger Umstieg auf Erneuerbare Energien könnte diese Zahl drastisch senken.
- Nachhaltige Energiequellen schaffen stabile und unabhängige Versorgungssysteme. Länder mit einem hohen Anteil Erneuerbarer Energien sind weit weniger abhängig von fossilen Importen, was ihre wirtschaftliche Resilienz stärkt. Deutschland zahlte allein 2022 rund 177 Milliarden Euro für fossile Energieimporte größtenteils in geopolitisch instabile Regionen – Mittel, die stattdessen in den Aufbau einer heimischen Wertschöpfung investiert werden könnten.
- Eine dezentrale Energieversorgung minimiert Netzverluste und erhöht die Versorgungssicherheit. Erneuerbare Energieerzeugungsanlagen können direkt dort Strom erzeugen, wo er gebraucht wird – ohne lange Transportwege und damit ohne hohe Netzverluste.
Damit haben Erneuerbare Energien quasi als Nebeneffekt erhebliche Vorteile für den Klima- und Umweltschutz und tragen entscheidend zur langfristigen Versorgungssicherheit bei. Während fossile Energieträger kontinuierlich Umweltfolgekosten sowie Kosten für Brennstoffe, Transport und Entsorgung verursachen, sieht das bei Erneuerbaren Energien anders aus. Sobald Wind-, Solar-, Biomasse-, Geothermie- oder Wasserkraftanlagen installiert sind, produzieren sie Strom fast ohne weitere Kosten. Der US-amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin beschreibt in diesem Zusammenhang die Null-Grenzkosten-Theorie: Theoretisch könnten die Grenzkosten der Energieproduktion gegen null gehen – wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt.
Tatsächliche Zahlen statt Mythen
Zahlen aus offiziellen Quellen belegen eindeutig, wie stark fossile Energien gefördert werden – während Erneuerbare oft zu Unrecht als Kostenfaktor dargestellt werden.
Fossile Energien (Öl, Kohle und Gas) werden weltweit massiv subventioniert – direkt und indirekt. Im Jahr 2022 flossen laut Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) weltweit rund 7 Billionen US-Dollar (ca. 6,4 Billionen Euro) an Subventionen in fossile Energien. Davon entfielen etwa 1,3 Billionen US-Dollar auf direkte staatliche Zuschüsse; der Rest sind Folgekosten durch Umweltverschmutzung, Gesundheitsrisiken und Klimaschäden (IWF, Statista, 2023).
Die Atomenergie wird weltweit ebenfalls durch erhebliche staatliche Subventionen gestützt – sowohl direkt als auch indirekt. Eine globale Gesamtsumme ist jedoch schwer festzustellen, da die Förderungen je nach Land stark variieren. In Deutschland wurden zwischen 1955 und 2022 staatliche Fördermittel für Atomenergie in Höhe von 210 Milliarden Euro (nominal) bzw. 287 Milliarden Euro (inflationsbereinigt auf das Preisniveau von 2019) bereitgestellt. Diese Summe umfasst direkte Finanzhilfen, Steuervergünstigungen sowie weitere indirekte Subventionen (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft FÖS, 2020).
Dabei handelt es sich jedoch nur um direkte und teilweise indirekte Subventionen. Die tatsächlichen gesamtgesellschaftlichen Kosten der Atomenergie liegen weitaus höher, da sie auch externe Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsschäden sowie die langfristigen Aufwendungen für Rückbau und Endlagerung des Atommülls umfassen. Laut Schätzungen könnten diese Kosten die ursprünglich genannten Beträge um ein Vielfaches übersteigen (FÖS, 2020).
Zum Vergleich: Die gesamten staatlichen Fördermittel für Erneuerbare Energien beliefen sich im selben Zeitraum auf nur 500 Milliarden US-Dollar – das entspricht weniger als 7 Prozent der fossilen Subventionen, obwohl sie nachhaltiger und umweltfreundlicher sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Neubewertung der Subventionspolitik zugunsten einer zukunftsfähigen und klimafreundlichen Energieversorgung. Und dennoch: Trotz erheblicher Widerstände haben wir heute bereits einen Anteil Erneuerbarer Energien von über 50 Prozent an der Stromerzeugung erreicht – die Transformation könnte allerdings bereits erheblich weiter fortgeschritten sein, wenn nicht gezielte Blockaden und Verzögerungstaktiken ihre Umsetzung systematisch behindert hätten.
Externe Kosten – Die versteckten Subventionen fossiler Energien
Fossile Energien erscheinen auf den ersten Blick oft günstiger, weil viele ihrer tatsächlichen Kosten nicht auf der Stromrechnung auftauchen. Kosten für Erneuerbare Energien wurden hingegen lange Zeit direkt beim Verbraucher ausgewiesen, was den Eindruck erweckte, dass sie teurer seien – während die versteckten Kosten der fossilen Energieträger von der Allgemeinheit über Steuern getragen wurden. Im Klartext: Sie waren auf der Stromrechnung sichtbar, während die fossilen Kosten ausgeblendet blieben.
Diese Intransparenz führte über Jahre hinweg zu falschen Signalen in der Bevölkerung. Erst mit der Abschaffung der EEG-Umlage im Juli 2022 wurde diese Verzerrung teilweise korrigiert. Seitdem wird die Förderung Erneuerbarer Energien aus dem Bundeshaushalt finanziert, anstatt direkt auf der Stromrechnung ausgewiesen zu werden (netztransparenz.de, 2022).
Und obwohl die Zahlen eine klare Sprache sprechen, verfangen sich in vielen politischen Debatten und an den Stammtischen der Republik immer wieder fossile Ausbaupläne, ein fragwürdiges Revival der Atomkraft und weitere energiepolitische Märchen, die jedweder Faktenlage widersprechen – völlig losgelöst von wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Realitäten. Es ist bemerkenswert, dass Politiker und Parteien, die diesen fossilen Kurs vertreten, kaum jemals die volkswirtschaftlichen und finanziellen Fakten anführen, sondern weiterhin auf überholte Narrative setzen.
Da jedoch niemand ernsthaft davon ausgehen kann, dass die handelnden Akteure in Regierung und Parlament allesamt ungebildet oder faktenresistent sind, bleibt nur der Schluss, dass sie einer anderen Agenda folgen – einer klientelgesteuerten Industriepolitik, die fossile Interessen über die Bedürfnisse des Landes und seiner Bürger*innen stellt. Das ist eine energiepolitische Tragödie, deren Auswirkungen und Kosten von nachfolgenden Generationen getragen werden müssen – und die weder ökonomisch, ökologisch, sozial noch gesellschaftlich hinnehmbar sind.
Das grundlegende Problem bleibt bestehen:
- Die milliardenschweren indirekten Kosten fossiler Energien, etwa durch Umwelt- und Gesundheitsschäden, bleiben weiterhin außerhalb der Stromrechnung versteckt.
- Subventionen für fossile Brennstoffe werden größtenteils über Steuererleichterungen, Förderprogramme und Finanzhilfen abgewickelt – für die Bevölkerung nicht unmittelbar sichtbar.
- Die Preisgestaltung auf dem Strommarkt orientiert sich weiterhin an den teuersten Erzeugungsformen (Merit-Order-Prinzip), was Erneuerbare Energien strukturell benachteiligt.
Die Abschaffung der EEG-Umlage hat bereits dazu beigetragen, die Energiekosten für Verbraucher zu senken. Doch ein entscheidender Schritt fehlt noch: Die Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis. Erst wenn der Preis für Strom nicht mehr durch teure fossile Kraftwerke diktiert wird, kommen die realen Kostenvorteile Erneuerbarer Energien auch wirklich bei den Menschen an.
Das Problem ist nicht, dass Erneuerbare Energien tatsächlich teurer wären – sondern dass die Kostenstrukturen verzerrt bleiben und die günstigere Energieform nicht beim Verbraucher ankommt und damit der Akzeptanz in der Bevölkerung für die Energiewende schadet. Fossile Energieträger profitieren weiterhin viel stärker von versteckten Subventionen und externalisierten Kosten, die nicht transparent im Marktpreis auftauchen, sondern indirekt von der Allgemeinheit getragen werden.
Einflussnahme fossiler Interessen
Recherchen von LobbyControl haben Verbindungen zwischen der fossilen Industrie, dem globalen Finanzinvestor KKR, bis vor kurzem Hauptaktionär bei Axel Springer SE, dem Mutterkonzern von BILD und DIE WELT, und konservativen Denkfabriken wie dem Atlas Netzwerk aufgedeckt, die potenziell Einfluss auf Politik und Medien nehmen (LobbyControl, 2023).
Das Atlas Network ist ein internationales Netzwerk aus fast 600 marktradikalen Think Tanks, das konservative und neoliberale Narrative weltweit verbreitet. Einige seiner Partnerorganisationen haben in der Vergangenheit Maßnahmen zum Klimaschutz gezielt bekämpft und sich aktiv für eine Verlängerung der Nutzung fossiler Energien eingesetzt (Wikipedia, 2023).
Zusätzlich sind das Cato Institute und das Heartland Institute zwei bekannte Think Tanks, die mit fossilen Geldern finanziert wurden und seit Jahrzehnten gezielt Zweifel am Klimawandel säen – mit Studien, die wissenschaftlich längst widerlegt sind.
Leseempfehlung
Eine detaillierte Analyse der Mechanismen hinter den fossilen Interessengruppen liefert Prof. Christian Stöcker in seinem Buch Männer, die die Welt verbrennen: Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit – Profiteure der fossilen Brennstoffe versus Erneuerbare Energien im Zeichen der Klimakatastrophe (2024). Hier wird aufgedeckt, mit welchen Strategien fossile Lobbyisten den Wandel blockieren und welche entscheidende Rolle Desinformation spielt.
Fazit: Die Zukunft ist Erneuerbar..!
Wir haben also festgestellt, dass nur ein Bruchteil der Subventionen in Erneuerbare Energien fließen. Trotzdem wird diese nachprüfbare Tatsache beständig in politischen und gesellschaftlichen Debatten ausgeblendet. Eine faire Kostenrechnung zeigt aber, dass Erneuerbare Energien nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch die weitaus bessere Wahl sind und langfristig ganz klar für sinkende Energiepreise sorgen werden. Jeder investierte Euro in Erneuerbare Energien zahlt sich mehrfach aus – ökologisch, ökonomisch und sozial.
Die Zukunft liegt in unserer Hand. Unterstützen Sie diejenigen, die sich für echten Klimaschutz, eine nachhaltige Wirtschaft und eine sichere Energieversorgung einsetzen. Die Bundestagswahl 2025 ist ein Wendepunkt – nutzen wir die Chance, um die Weichen richtig zu stellen.