Tagesspiegel Background – Im Porträt: Markus Emmert
Markus Emmert ist der Vordenker des Bundesverbandes eMobilität. 19 Arbeitsgruppen leitet er beim BEM, von Leichtfahrzeugen über schwere Lkw bis zu Schiffen. Zur E-Mobilität gekommen ist Emmert über die erneuerbaren Energien – das hilft ihm auch beim Thema bidirektionales Laden.
Als unlängst der Fördertopf des Bundesverkehrsministeriums für die Kombination aus Photovoltaik-Anlage, Batteriespeicher und E-Auto schon am ersten Tag ausgeschöpft war, hat sich Markus Emmert geärgert. Aber nicht, weil viele E-Mobilist:innen leer ausgegangen sind, sondern weil er das Programm für »rausgeschmissenes Steuergeld« hält: »Das ist Klientelförderung für die Elite einer Elite.«
Viele Jahre zuvor, als Emmert noch Berater für Solarenergie war, hatte er die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefordert, womit er sich in der Ökostrombranche kaum Freunde machte. »Photovoltaik muss auf eigenen Füßen stehen« war und ist sein Credo. PV sei in Deutschland »maßlos überfördert« worden. »Die Preise für die Anlagen sind immer genau in dem Maß gesunken, wie die Förderung reduziert wurde.«
Markus Emmert ist ein überzeugter Grüner, was man auch daran sieht, dass er im Vorstand des Kreisverbands Augsburg-Land der Partei sitzt. Auf der anderen Seite ist er Marktwirtschaftler, gelernter Bankkaufmann bei der Commerzbank und geprüfter Versicherungsfachmann. Er hat betriebswirtschaftliches Know-how und gleichzeitig Ahnung von Energie-, Batterie- und Ladetechnik. All das verbinden kann er als Vorstandsmitglied des Bundesverbandes eMobilität (BEM).
Dort leitet Emmert, ehrenamtlich 19 Arbeitsgruppen, von Anhängern und Leichtfahrzeugen über schwere Lkw bis zu Schiffen mit Elektroantrieb. Wie schafft er das? »Es ist eine Katastrophe und gleichzeitig Gold wert«, sagt er beim Treffen mit Background in den Räumen der Firma Parkstrom an der Berliner Karl-Marx-Allee. Einerseits ist er mit den 130 Sitzungen pro Jahr und der inhaltlichen Betreuung so stark ausgelastet, dass er auf die verrückte Idee kam, die Leitung von drei AGs abzugeben. Aber die Kollegen waren öfter mal verhindert, sodass es Klagen über die Verlässlichkeit gab. So machte es Emmert doch wieder selbst.
Auf der anderen Seite profitiert Emmert als freiberuflicher Berater für erneuerbare Energien und E-Mobilität enorm davon, dass er von vielen praktischen Problemen als Erster erfährt. »Ich lerne jeden Tag«, sagt er. Und die unzähligen Kontakte liefern ihm Aufträge frei Haus.
Autohersteller bei der Produktentwicklung beraten
Vor einigen Jahren hat sich Emmert noch zu 100 Prozent mit Energiethemen beschäftigt, heute nur noch zu 20 Prozent – in 80 Prozent der Fälle geht es um E-Mobilität und verwandte Themen. Seine Kunden sind zum Beispiel Autohersteller und -händler. Emmert berät zum Verkaufsprozess und schult Mitarbeiter:innen in Sachen E-Autos. Bei der Produktentwicklung bringt er sein Wissen zu Batteriemanagement und bidirektionalem Laden ein.
Emmert steht Arbeitgebern zur Seite, die ihre Flotte auf E-Autos umrüsten wollen und die entsprechende Ladeinfrastruktur installieren müssen. »Die meisten Unternehmen haben dafür keine Ressourcen, ihr Kerngeschäft ist ein anderes«, sagt Emmert. »Da nehme ich sie an die Hand«.
Der 46-Jährige berät auch Energieversorger und Stromnetzbetreiber. Nach Malta und Mallorca ist er geflogen, um den dortigen Regierungen zu erklären, wie sie auf E-Mobilität umstellen können. Mit Smart Grids, intelligenten Stromnetzen, hat Emmert sich schon 2011 beschäftigt. »Damals war ich noch etwas früh dran«, sagt er, »aber heute reden alle über die Digitalisierung der Stromnetze«.
Da drängt sich natürlich die Frage auf, wie Emmert die Chancen des bidirektionalen Ladens einschätzt. »Vehicle-to-Grid wird es in Deutschland in den nächsten fünf Jahren nicht geben«, ist Emmert überzeugt, »Vehicle-to-Home funktioniert schon heute, ich habe es selbst zweieinhalb Jahre ausprobiert«. Strom aus der Batterie des E-Autos im eigenen Haus zu verbrauchen, ist von der Regulierung her unproblematisch. Die Rückspeisung ins öffentliche Stromnetz ist zumindest in Deutschland kompliziert und durch Steuern und Umlagen finanziell unattraktiv.
»Hierzulande muss ich genau angeben können, wie viel Graustrom in meiner Autobatterie drin ist«, erklärt Emmert, »den Franzosen ist das egal«. Aber die deutschen Regulierer hätten Angst, dass ein E-Mobilist in Frankreich Atomstrom lädt und in Deutschland als Grünstrom ins Netz einspeist.
Im Streit um die Frage, ob die Bundesregierung ihr Ziel von 15 Millionen E-Autos 2030 erreicht oder ob es doch nur acht Millionen werden, ist Emmert eher auf der Seite der Regierung. Er ist aber ohnehin gegen immer mehr Privat-Pkw. Innenstädte würde er ganz für den motorisierten Individualverkehr sperren. Um aber den Wechsel von Verbrenner auf E-Pkw zu beschleunigen, würde er eine wirksame Bonus-Malus-Regelung für Autos einführen.
EU-Regulierung stimmt ihn zuversichtlich
Optimistisch stimmen ihn Nachhaltigkeitsvorschriften (ESG) für Unternehmen, CO2-Flottengrenzwerte mit hohen angedrohten Strafzahlungen für Autohersteller, die AFIR-Verordnung für die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie. Zusammen genommen werden diese EU-Regulierungen nach Emmerts Einschätzung ordentlich Druck in Richtung E-Mobilität aufbauen.
Zum BEM gekommen ist Emmert 2009, als der Verband einen Fachmann für erneuerbare Energien für seinen wissenschaftlichen Beirat suchte. Schnell saß Emmert im Vorstand und baute die ersten AGs auf. Zuvor hatte er Landwirte beraten, die im großen Stil PV auf ihre Dächerbauen wollten. Emmert kannte die technischen und ökonomischen Hürden. Er hält bis heute mehrere Patente. Mit Finanzierungen kannte er sich von seinem Job bei der Commerzbank aus. Dort war er einer der jüngsten Filialleiter, doch als ihm ein Vorgesetzter sagte, dass er sich jetzt für die nächsten Jahre bescheiden solle, legte ihm Emmert am nächsten Tag seine Kündigung auf den Tisch.
Das Zupackende hat Markus Emmert wahrscheinlich von seinem Vater. Der war Bauträger in Adelsried, westlich von Augsburg. Der Sohn fuhr nach der Schule jeden Tag mit dem Fahrrad auf die Baustellen und packte mit an. Sein Vater wollte, dass er ins Handwerk geht, doch Markus interessierte sich mehr für Mathematik und Kaufmännisches. Den Sinn für Nachhaltigkeit haben beide: Emmert senior setzte schon sehr früh auf energieeffiziente Häuser und Solarthermie.
Jens Tartler.
Welches Auto kaufen Sie als nächstes?
Ich fahre meinen Skoda Enyaq 60.000 Kilometer im Jahr und fühle mich durch das Laden überhaupt nicht eingeschränkt. Ich möchte der Marke treu bleiben.
Wie halten Sie es mit dem Fliegen?‚
So wenig wie möglich bis gar nicht. Zu einer Messe in Barcelona bin ich aber schon geflogen.
Wer gibt in der Mobilitätsbranche das Tempo vor?
Die EU.
Wo würden Sie gerne das Rad neu erfinden?
Ich würde gerne den ÖPNV neu erfinden. Autonome Shuttles, in die man flexibel ein- und aussteigen kann, wären großartig – wie in Science-Fiction-Filmen.