Trotz Geburtswehen…der Elektromotor ist die Zukunft
Februar 2018 / Artikel erschienen im Behörden Spiegel – Februar 2018
Die deutsche Regierung hat sich im Dezember 2015 zu den Klimaschutzzielen von Paris bekannt. Diese besagen, dass im Jahr 2050 alle Sektoren – Industrie, Energie (Stromerzeugung und Wärme) – sowie Verkehr und Landwirtschaft de facto CO2-frei bzw. CO-neutral sein müssen. Die Alternative setzt auf Strom, obwohl die eAutos aktuell einen ökologisch unsauberen Fußabdruck nicht leugnen können.
Fossile Energieträger – allen voran Erdöl und Erdgas – bleiben also in der Erde. Dass dieser hehre Vorsatz und, mehr noch, die erforderlichen Einschnitte beim Einzelnen nicht angekommen sind, ist verständlich. Die Bürger wurden weder vorab befragt noch über die umfangreichen Konsequenzen aufgeklärt. Den Wenigsten ist bewusst, dass demnächst Elektrizität nur noch aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird (Windräder und Solardächer deutschlandweit) oder sie ihr Auto mit Verbrennungsmotor nicht mehr fahren dürfen. Das persönliche wie gesellschaftliche Leben steht vor einem nie dagewesenen Umbruch.
Das Ziel vom Ziel vom Ziel…
Aber anstatt die Pariser Ziele schnell und konsequent in konkrete Planungen umzusetzen, kassierte die einst forsche Umweltaktivistin und Bundeskanzlerin Angela Merkel Ziele ein: Dazu gehört jenes von der Nationalen Plattform Elektroindustrie (NPE), bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen. Genauso wie die nationalen Klima-Zwischenziele bis 2050. Deutschland wird seine Umweltvorgaben zur CO2-Minderung für 2020, 2025 und 20230 deutlich verfehlen. Zwar vermindern alle Sektoren ihre Treibhausgas-Emissionen (THG), doch im Verkehr steigen sie.
Zaudern statt Handeln
Die Politik hat es auch versäumt, der Autoindustrie Beine zu machen. Im Gegenteil: Sie lässt sich von ihr instrumentalisieren. Sie lobbyierte jahrelang gegen ambitionierte EU-CO2-Grenzwerte, überließ ihr die NPE und verschleppte Entscheidungen. Dazu gehören notwendige Hardware-Umrüstungen für ältere Diesel, Dieselbesteuerung, Quote für Elektroautos bei Neuzulassungen und Verbot von Neuwagen mit Verbrennern ab 2030.
Denn wenn es 2050 keine fossilen Kraftstoffe mehr gibt, können auch keine Verbrennungsmotoren fahren. Also dürften ab 2030, bei einem 20-jährigen Autoleben, Neufahrzeuge nur noch alternative Antriebe verwenden. Doch darum drückt sich die Regierung, obwohl eine solche konsequente Entscheidung industriepolitische Planungssicherheit gebracht und Unsicherheiten bei den Bürgern beseitigt hätte. Auch im Hinblick auf die jährliche 400.000 Toten in der EU, die auf die Stickoxidbelastung (NOx) zurückzuführen sind. Das schädliche Gas stammt mehrheitlich aus Dieselfahrzeugen.
Strom: mehr Umwandlung, mehr Effizienz
Gegenüber allen anderen alternativen Antrieben erreichen Elektroantriebe im Wirkungsgrad Spitzenwerte von 95 Prozent bei der Umwandlung von Elektroenergie in mechanischen Antrieb. Verbrennungsmotore nutzen die in Kraftstoff gespeicherte Energie nur zu rund 20 bis 30 Prozent. Der größte Teil ihrer Energie wird in Wärme umgewandelt. Alternative Antriebe mit Wasserstoff-Brennstoffzellen (BZ) erreichen ebenfalls nur Wirkungsgrade von 50 Prozent, weil der Strom zunächst in Wasserstoff und dann in der BZ wieder in Strom umgewandelt wird. Dadurch geht viel Energie verloren.
Geburtswehen beim eAuto
Bei Betrachtung der Ökobilanz über die Gesamtlebensdauer, einschießlich Rohstoffe, Produktion und Wartung beim Betrieb, hat das eAuto noch mit Geburtswehen zu kämpfen. Seine Akkus bestehen aus Hightech-Materialien, die in aufwendigen Produktionsschritten verarbeitet werden. Schließt man die Batterieproduktion in die Ökobilanz ein, trägt das Elektroauto vor seinem ersten Kilometer bereits einen ökologischen Rucksack mit sich herum, dessen CO2-Äquivalente mehr wiegen als bei konventionellen Fahrzeugen. Aber der Anfangsnachteil kann während der Fahrzeugnutzung kompensiert werden. Dies hängt jedoch von Fahrzeugtyp, Größe, Nutzungsart oder Fahrtleistung ab. Verschiedene Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Die schwedischen Wissenschaftler des Umweltinstituts IVL verfassten eine Metastudie zur Literatur über Lithium-Ionen-Batterien. Im Mittel schätzten sie den ökologischen Fußabdruck für Rohstoffverarbeitung und Herstellung einer Batteriekapazität von einer Kilowattstunde auf 150 bis 200 Kilogramm Co2. Das war an sich nicht neu, hatte doch schon 2015 das Institut für Enerige- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) einen Fußabdruck in ähnlicher Größenordnung gefunden.
Das große ABER…
Die wichtigste Erkenntnis der Schweden ließ man unter den Tisch fallen: Die Literaturstudie zeigte nämlich, dass es zu wenige vergleichbare Daten gab, um verlässliche Aussagen zu treffen. Ökobilanzen für eFahrzeuge würden zwar seit einigen Jahren aufgestellt, aber mit dem Technologiefortschritt änderten sich auch Parameter und Annahmen weiter positiv. Bereits 2016, so Berechnungen des Freiburger Öko-Instituts, hinterließen die 62.300 Elektroautos und Plug-in-Hybride in Deutschland 76.000 Tonnen weniger Co2 als ähnliche Benzin- und Dieselfahrzeuge. Wenn einmal die eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen rollt, dann spart das rund 800.000 Tonnen Co2 jährlich ein. Die Freie Universität Brüssel (VUB) sowie das Joint Research Institute (JRC) der EU-Kommission gehen davon aus, dass die Umweltbilanz von Elektroautos mindestens 25 Prozent besser sei als die von Dieselautos.
Energie: Das Blatt wendet sich
Am deutlichsten trägt der Fortschritt in der Energiewende zur eMobilität bei. eAutos werden allein durch den wachsenden Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix immer umweltfreundlicher. Zudem ist ein Elektromotor nahezu wartungsfrei. Das eAuto braucht keine Inspektionsintervalle, bei denen regelmäßig Filter, Öl und Verschleißteile gewechselt werden müssen. Selbst der Bremsabrieb wird weniger, weil Elektrofahrzeuge elektrisch bremsen. Dabei gewinnen sie auch noch Energie zurück, was wiederum die Reichweite vergrößert. Die Zukunft gehört rein batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Hybride, auch Plug-in-Hybride, stellen nur eine Zwischenstufe dar. Diesel- und Benzinantriebe sind von gestern, auch im internationalen Markt. In Großbritannien und Frankreich dürfen sie ab 2040 nicht mehr fahren. Angesichts des dominierenden chinesischen Marktes hat nun endlich die einheimische Autoindustrie beigedreht. VW will 34 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren. Daimler will bis 2022 alle seine Modelle elektrifizieren und sie weltweit in sechs Werken produzieren, dazu kommen fünf eigene Batteriefabriken.
Die Menschen in der Pflicht
Diese Entwicklung könnte die deutsche Politik durch ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte, eine CO2-Besteuerung im Verkehrsbereich sowie die Förderung einer Überall-und-jederzeit-Ladeinfrastruktur beschleunigen. Das Auto könnte am Elektronetz laden, sobald es abgestellt wird, also rund 90 Prozent eines Autolebens.
Doch wird die Elektromobilität allein das Klima nicht retten. Wir brauchen eine neue, nachhaltige Mobilität. Jeder Einzelne sollte hinterfragen, ob notwendige Wege unbedingt mit dem liebgewordenen Verkehrsmittel erledigt werden müssen. Man könnte als Alternative laufen, radeln oder gemeinsam fahren. Man könnte den Öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenverkehr ertüchtigen.
Einiges haben die Modellregionen angeschoben und ausprobiert. Nun würden sie gern ihre Erfahrungen weiterführen und in die Praxis überführen. Doch leider stoßen sie an gesetzliche Verordnungen, Normen und Regelungen, die für die Mobilität von gestern gemacht wurden. Sie brauchen auf kommunaler Ebene dringend rechtliche Freiräume, um neue Ideen auszuprobieren und eine neue Mobilität zu etablieren.
⇢ Dr. Dr. Reinhard Löser, Hauptstadtrepräsentant des Bundesverband eMobilität