Wieso, weshalb, warum..?
Kinderfragen. Kinder antworten. Nur eine Frage der Zeit. Denn aus kleinen Kindern werden große. Bei genauer Betrachtung ist es also so, dass wir zuerst ganz viele Fragen stellen, weil wir ja die Welt verstehen und alles wissen wollen. Die Entdeckung der vielen kleinen Wunder im Alltag. Wolken, die Zahnfee, Schmetterlinge und der Schatz am Regenbogen. Wer, wie, was..? Plitsch, platsch und warum dreht sich das..? Etwas später, zwischen Kindergarten und Schule werden wir gefragt, warum es in der Stadt so laut ist und warum diese stinkenden Mopeds nicht verboten werden..? Und wie der Strom aus der Steckdose kommt. Und natürlich warum wir eigentlich jetzt schon ins Bett müssen. Na, weil das eben so ist. Und basta.
Und wenn wir dann größer sind, dann sind wir diejenigen mit eben diesen klugen Antworten. In diesem theoretischen Zeitsprung könnten wir uns unsere Fragen also auch gleich selbst beantworten. Und wir könnten uns eigentlich auch gleich mit den Fragezeichen beschäftigen, die unsere Kinder an uns richten werden, wenn sie selbst bereits den Wissensdurst ihres eigenen Nachwuchses stillen müssen. Da sind immer mehr richtig schwere Fragen bei, die mit der Verantwortung einer globalen Welt zunehmend auf uns lasten und eine einfache Antwort nicht mehr so ohne weiteres gelten lassen. Fragestellungen zu Themen wie Hunger, Krieg, Ausbeutung, Dualismus, Unterdrückung und all den Missständen in unserer Welt. Fragen zu unserem Wohlstand und wie wir uns für die anderen einsetzen, denen es nicht so gut geht und wenn nicht, wieder dieses warum..
Eine passende Ausrede haben wir nicht. Eine Mischung aus peinlich berührtem bis genervtem Wegsehen und hilfloser Betroffenheit ohne jegliche erkennbare Konsequenz im eigenen Handeln wäre wohl eine mögliche Diagnose, würde man uns denn eines Tages bewerten wollen.
Diese ganzen Warums, die vielen Fragen und die teilweise katastrophalen Zustände können einen schon ganz schön auf die Palme bringen. Allerdings nicht, weil wir einen bestimmten Sachverhalt wissenstechnisch nicht begreifen oder erklären können, sondern weil es so viele Situationen und Zustände gibt, die sich entweder der Logik gänzlich entziehen oder anderweitig nicht toleriert und akzeptiert werden können. Womöglich liegt das daran, dass wir schon recht genau wissen, dass wir uns entlang einer Doppelmoral bewegen, die die Grenzen von Ethik und Moral nach Belieben verändert und den Bedürfnissen unserer Gesellschaft anpasst.
Eine Metaebene, die eine Fragequalität offenbart, die nicht mehr zufriedenstellend beantwortet werden kann, da sie auf der Konsequenz nicht getroffener Entscheidungen in der Vergangenheit beruht und somit das Dilemma um Rechtfertigungsfragen erweitert.
Warum habt ihr das zugelassen..? Warum habt ihr nichts dagegen gemacht..? Wie konnte das passieren..?
Und dann kommt die moralische Keule, mit der wir uns mehr denn je beschäftigen müssen: Obwohl. Obwohl ihr es besser wusstet. Obwohl ihr die Möglichkeiten hattet.
Das ist keine Frage mehr. Das ist ein Vorwurf, der sich nur noch als Frage tarnt. Ein Vorwurf, der einfach nicht verstehen will, warum denn wider besseren Wissens und nachhaltigerer Technologie weiterhin auf Atomkraft gesetzt wird, fossile Ressourcen verschwendet werden, die Atmosphäre verpestet wird, emissionsarme Antriebskonzepte sich nicht deutlich schneller durchsetzen und Erneuerbaren Energien so unglaublich viel Widerstand entgegengebracht wird. Diese Aufzählung ist beliebig erweiterbar und das ist beschämend. Und zwar insbesondere für die Eliten der angeblich so fortschrittlichen Zivilisationen. Für uns.
Aber wie erklären wir denn nun unseren Kleinen, wenn sie mal größer sind, warum wir gemacht haben, was wir gemacht haben, bzw. warum wir so viel nicht gemacht haben, was wir hätten machen können müssen.. Aber wir haben doch ganz viel gemacht, sagen wir dann. Wir haben Eis erfunden und Freibäder, Sandkästen, Fahrräder, Buntstifte, Bioläden, Vegetarier, Jutetüten, das Dosenpfand und, ja und Autos. Aber Papa, warum stinken die so..?
Weil, ja weil.. Was will man dazu sagen, wenn man mehr oder weniger nichts dazu gelernt hat und immer noch so vieles falsch macht. Am besten: Basta. Und ab ins Bett..
Es geht im Kern eben nicht um Humanität, Nachhaltigkeit, intergenerative Gerechtigkeit, um Klima- und Umweltschutz oder gar um eine zügige Umsetzung der Energie- und Mobilitätswende. Ich habe auch noch nie in einem Nachrichtenkanal gehört, dass die westliche Welt beschlossen hätte, den Hunger in der Welt abzuschaffen. Es geht vielmehr um den Erhalt tradierter Strukturen eines längst nicht mehr durchschaubaren globalen Finanzkapitalismus und damit eben um diese Eliten, über die wir uns doch gerade noch so geschämt haben. Womöglich sind hier tatsächlich primär die in der Hauptverantwortung, die über die entsprechenden Macht- und Einflusssphären verfügen.
Stellt sich am Ende nur wieder eine W-Frage: Und warum habt ihr dieses überaus ungeeignete System so lange gewähren lassen..? Und wieder werden wir nicht aus der Verantwortung entlassen.
Tja. Ene mene muh und raus bist Du..!
Editorial von Christian Heep, Vize-Präsident im Bundesverband eMobilität und Chefredakteur der NEUEN MOBILITÄT / Ausgabe 18 / September 2015